Mr. Danna, Ihr Score zum Drama Capote ist sehr intim und zurückhaltend.
Welche Zielsetzung haben Sie mit der Vertonung verfolgt?
Ich denke, es gibt eine einfache Richtlinie für alle, die in den unterschiedlichen Bereichen
an diesem Film tätig waren: Äquivalent zu Truman Capotes Prosa und Stil zu sein.
Dies bildete tatsächlich die Leitlinie für meine Recherchen. Sein Stil ist sehr
einfach, klar und anschaulich; tatsächlich täuschend einfach. Es setzt das perfekte Wort
an den perfekten Platz ohne Schnörkel. Es ist alles sehr sauber. Das ist das Model, dem ich
entsprechen wollte. Die Musik für "Capote" ist Musik über und aus dem Innern des Menschen,
das sich sehr von seiner äußeren Welt unterscheidet. Es ist ein sehr einsamer und
leerer Ort. Also musste die Vertonung diese Qualitäten einfangen.
"Water" ist ein ganz anderer Score mit der Verwendung indischer Musik. Würden Sie zustimmen,
dass "Capote" & "Water" zwei unterschiedliche Seiten von Ihnen als Komponisten repräsentieren -
eine amerikanische und eine weltmusikalische Seite? Wenn dies so ist, welche Seite ziehen Sie
vor?
Ich liebe es, in beiden Welten zu arbeiten. Ironischerweise bin ich vermutlich besser bekannt
für meine ethnischen Musiken. Mein Hintergrund und Zuhause
ist aber die westliche klassische Musik. Mit ihr bin ich aufgewachsen, sie habe ich studiert und
gehört. Es ist fantastisch zwischen den Welten zu wechseln. Sie befruchten sich gegenseitig und beide
stimulieren die Arbeit in den jeweils anderen Welten.
Viele Ihrer Musiken enthalten Einflüsse aus exotischen Ländern. Wie hat diese Liebe zur
ethnischen Musik bei Ihnen angefangen? Sind Sie viel gereist?
Als ich noch in Toronto Musik studierte, war das zu einer Zeit als die kulturelle Szene dort
geradezu explodiert ist (im positiven Sinne). Toronto ist eine multikulturell erfolgreiche Stadt, in der
sich viele verschiedene Gruppen vermischen. Es gibt zahlreiche künstlerische Einflüsse aus Ägypten, die
für alle zugänglich sind. Als ich anfing, an der Universität in Toronto Komposition zu
studieren, war es sehr einfach, die verschiedenen Arten von Musik-, Tanz- und Kunstformen
aus aller Welt aufzusaugen. Toronto ist aber auch weiterhin ein großartiges Modell dafür, wie eine
multikulturelle Stadt aussehen kann. Damals war es wirklich das erste Mal, dass ich mit Begeisterung
diese Klänge hörte. Das Ergebnis war, dass ich sie schließlich in meine Arbeiten einbrachte.
Meiner Auffassung nach ist "Ararat" einer der unterbewertesten Filme und Musiken der letzten Jahre.
Wie denken Sie über dieses Projekt? Glauben Sie, dass es im Vergleich zu Mainstream-Projekten
eine größere Verantwortung ist, einen Film mit einer gewissen politischen Relevanz zu vertonen?
Aufgrund meiner engen Beziehung zu Adam (Atom Egogan), mit dem meine Karriere begann, und weil ich
ihn bereits so lange kenne, wusste ich wie viel ihm dieses Projekt bedeutete. Es war ein sehr
wichtiger Film für ihn. Da ich ihm also sehr nahe stehe, war es auch für mich eine Herzensangelegenheit.
Ich habe diese Arbeit sehr ernst genommen. Wenn man mit Geschichte im Gegensatz zu Fiktion zu tun hat, entsteht
die Verpflichtung die Menschen, die diese Geschichte erlebt haben, zu achten und stets zu bedenken, dass
es echte Menschen und Kulturen waren bzw. sind. Sie sind lebendig. Ich wollte dies durch die Musik ehren.
Ich habe viel Zeit damit zugebracht, die Armenische Musik kennenzulernen und zu studieren. Ich bin vor Ort
gereist, um mit armenischen Musikern zusammen zu arbeiten. Es war sehr bewegend
dort zusammen mit Adam an Musik aus seinem Kulturkreis zu arbeiten. Es war, als lernte
ich ihn auf eine intime Art neu kennen. Einen Chor mitten in der Nacht in einer Kirche aus dem
4. Jahrhundert aufzunehmen war eine unglaubliche Erfahrung. Es ist ein sehr wichtiger Film
für mich.
Ihre Musik zu Hulk wurde von den Produzenten abgelehnt. Wie hat es ihre Beziehung zu Ang Lee (dem Regisseur) beeinflusst? Sie haben seitdem
nicht wieder mit ihm zusammengearbeitet.
Es hat die Arbeitsbeziehung zwischen uns nicht beeinflusst.
Vor ein paar Jahren haben sie "8mm" von Joel Schumacher vertont. Das musikalische
Konzept ist in seiner Verwendung marokkanischer Folklore sehr ungewöhnlich für einen Thriller.
Hatten Sie keine Angst vor dem Vorwurf, arabische Musik mit der Porno-Szene zu assozieren?
Wenn ich den Film heute vertonen würde, würde ich wahrscheinlich einen anderen Weg wählen,
da sich die Welt seit dieser Zeit verändert hat. Aber wir sollten klarstellen, dass es sich
um marokkanische Musik handelt. Ich wäre sehr vorsichtig, hier von Arabischer Musik zu sprechen.
Es gibt sehr klare Gründe, warum ich diesen Ansatz gewählt habe, die aber alle hundertprozentig
musikalischer Natur sind. Marokkanische Musik besitzt eine Neigung zu Tempi, die in der Geschwindigkeit
ansteigen. Sie beginnen langsam und verwandeln sich mit der Zeit in eine Art frenetischer Ekstase, vergleichbar einem
Strudel. Diese Art der Struktur schien zur Handlung des Filmes zu passen, in der Nicolas Cage als Privatdetektiv
in den Strudel der Untergrund-Pornographie gezogen wird. Deshalb war die Entscheidung wirklich eine rein musikalische.
Vor einigen Jahren habe Sie Musik für Nicht-Filmmusikalben à là "A Celtic Tale" & "A Celtic Romance"
komponiert. Haben Sie Pläne mehr CDs dieser Art zu machen oder Musik für den Konzertsaal zu schreiben?
Ich plane eine Oper zu schreiben, aber die Sache ist derzeit noch nicht spruchreif.
Viele Menschen in der Klassik-Szene betrachten Filmmusik nicht als echte Musik oder Kunst.
Wie denken Sie darüber? Wie wichtig ist es Ihnen, Musik zu schreiben, die auch abseits der Bilder
bestehen kann?
Die höchste Priorität für Filmmusik ist es, dem Film zu dienen. Das ist nichts Schlimmes.
Film ist zum jetzigen Zeitpunkt der Geschichte die mächtigste künstlerische Ausdrucksform.
Deshalb ist es weder peinlich noch beschämend, Filme zu vertonen. Das Film-Erlebnis spricht
mehrere Sinne an, und Musik spielt dabei eine wichtige Rolle. Ich möchte gar nicht in einem anderen
Bereich arbeiten. Zur Frage, ob die Musik ohne Bilder bestehen können sollte: Ich versuche,
die Musik eigenständig zu gestalten und auch eine zufriedenstellende CD
zusammenzustellen. Aber das besitzt definitiv nicht die höchste Priorität.
Lesen Sie CD-Kritiken im Netz, sehen Sie viele Filme?
Natürlich lese ich Kritiken und definitiv sehe ich ständig neue Filme.
Können Sie uns etwas über Ihre zukünftigen Projekte verraten?
"Breach" mit Billy Ray, einer FBI-Agentengeschichte und "Surf's Up", ein Animationsfilm
von Sony. Das wird sehr viel Spass machen, weil es für mich eine völlig neue Welt sein wird.
Dies sind die einzigen beiden Projekte, über die ich derzeit reden kann.
Mr. Danna, vielen Dank für dieses Interview. (mr)