Alexandre Desplat hatte einen guten Start in das Jahr 2007: Erst wurde seine Musik zum
Drama The Peinted Veil (Deutscher Kinostart im Mai; CD bei der Deutsche Grammophon)
mit den Golden Globe ausgezeichnet und nur kurze Zeit später erhielt seine Vertonung von
The Queen eine Oscar-Nominierung. Ein verdienter, richtungsweisender
Erfolg für den talentierten und vielseitigen Newcomer in Hollywood. Das Porträt der britischen Monarchin während der Zeit
nach dem Unfalltod von Prinzessin Diana hat den Franzosen zu einer raffinierten Vertonung
inspiriert, die geschickt das Spannungsfeld der Königsfamilie zwischen den Notwendigkeiten
von Tradition und Moderne auslotet.
Das Faible Desplats für das Repetieren rhythmischer Muster, über denen das
Orchester spielt, scheint auch hier wieder auf. Erneut arbeitet er dabei mit abwechslungsreich
und vielfältig instrumentierten Basismotiven. Zarte bis subtile Klänge von Flöte, Harfe,
Mandoline und Xylophon werden mit modernen und klassischen Akzenten gepaart. Der barocke
Einsatz des Cembalos verweist z.B. auf die jahrhundertealten Wurzeln des Königshauses,
während eine Art elektronisches Pulsieren einen Gegenwartsbezug herstellt. Doch bleibt
diese Klangsynthetik nur ein behutsam und dezent eingesetztes Stilmittel,
das gegenüber dem Spiel des Orchesters (übrigens das London Symphony Orchestra)
in den Hintergrund rückt. Und gerade da glänzt Desplat mit schöner elegischer Streichermelodik,
der durchaus ein gewisser Elgar-Touch anhaftet. Der ganz große "Pomp & Circumstance"
wird allerdings ausgespart, bestenfalls nur angedeutet -
etwa im Eröffnungsstück, in dem Pauken und Trompeten die Regentin standesgemäß begrüßen.
Ansonsten bleibt der Tonfall hingegen melancholisch und zurückhaltend, mitunter auch
behutsam ironisch akzentuiert. Ein reizvoller Höhepunkt bildet in dieser Hinsicht
der pfiffige Walzer, der die Begegnung zwischen der Queen und dem damals frisch gewählten
Britischen Premier Tony Blair ("Elizabeth & Tony") begleitet.
Desplat gelingt vorzüglich die schwierige musikalische Balanceakt, den der dialoglastige Film
erfordert. Seine Vertonung begeht weder den Fehler, einen übertriebenen Pathos zu bemühen,
noch sich in atmosphärischen Nichtigkeiten zu verlieren. Sie bleibt für diese Art Film
sogar erstaunlich sorgfältig und detailreich ausgestaltet. Allein von CD gehört hat
es die subtile und unaufdringliche Komposition allerdings mit ihrer anfänglichen
Unscheinbarkeit ein kleines Stück schwerer. Sie funktioniert dank der filigranen
Orchestrierung und hübscher thematischer Einfälle aber immer noch als autonomes Werk.
So etwas nennt man wohl Britisches Understatement, auch wenn es von einem Franzosen stammt. (mr)
Anmerkung:
Als Kuriosum am Rande sind auf der Milan-CD mit "Elizabeth & Tony" sowie "People’s Princess"
gleich zwei Stücke doppelt vertreten. Zieht man dazu noch das Endstück "Libera Me"
von Verdi (ein Stück, das bei der Beerdingung Dianas gespielt wurde) von der Lauflänge ab,
bleiben noch circa 35 Minuten Originalmusik übrig. Das ist nicht allzu viel. Mehr Musik dürfte
der Film aber auch gar nicht beinhalten.
Milan 399 050-2
Londony Symphony Orchestra
Dirigent: Alexandre Desplat
44:29 Min.
Filminfo:
Regie: Stephen Frears
Darsteller: Helen Mirren
Tracklist:
- The Queen (2:09)
- Hills of Scotland (2:25)
- People's Princess I (4:08)
- A New Prime Minister (1:55)
- HRH (2:22)
- The Stag (1:50)
- Mourning (3:50)
- Elizabeth and Tony (2:04)
- River of Sorrow (1:59)
- The Flowers of Buckingham (2:28)
- The Queen Drives (1:48)
- Night in Balmoral (1:09)
- Tony and Elizabeth (2:09)
- People's Princess II (4:08)
- Queen of Hearts (3:33)
- Libera Me (6:27)
(Verdi)