Filme, die klassische Kostümstoffe, auf die Seh- und Hörgewohnheiten heutiger
Kinogänger übertragen, erfreuen sich seit einigen Jahren steigender Beliebtheit.
Angefangen hat es wohl 1996 als Baz Luhrmann Shakespeares
Romeo & Julia
für ein MTV-Publikum aufbereitete und nur wenige Jahre später eine Liebesgeschichte ums
Moulin Rouge
als popcornbuntes Musical mit Songs der 80er Jahre inszenierte. Einen ähnlichen Weg geht auch
Regie-Newcomerin Sofia Coppola (
Lost in Translation) mit ihrem opulentem Kostümdrama
Marie Antoinette (1755-1793) über die einstige Erzherzogin von Österreich und französische Königin,
die schließlich auf dem Höhepunkt der Französischen Revolution zusammen mit ihrem Gatten hingerichtet wurde.
Coppola bedient sich neben der schnellen Schnitttechnik vor allem einer anachronistischen
Musikgleitung mit Popsongs, die als besonders wagemutig und experimentell beworben wird.
Dass die junge Regisseurin damit etwas Neues geschaffen hat, muss man mit dem Verweis auf
Moulin Rouge
wohl verneinen. Eher könnte man schon unterstellen, dass die Modernisierung eine Anbiederung an
den Zeitgeschmack darstellt. Doch auch diese Frage blieb in der Kritik bislang durchaus
umstritten.
Die unterhaltsame Doppel-CD zum Film vereint ein buntes, trendgemäßes Gemisch aus 80er Jahre Wave-Pop, aktuellen
Independant-Songs und vereinzelten Klassikstücken (Vivaldi, Couperin, Scarlatti), die für einen Hauch
Zeitkolorit sorgen. Dabei liegt insgesamt eine grobe Zweiteilung vor: Die erste CD bietet
die Popsongs, die zweite vorwiegend ruhige entspannte Pop-Instrumentals - gewissermaßen als Ersatz für
eine eigentliche Originalmusik. Doch man sollte sich in den einfachem Klavierstücken
und synthetischen Klangkollagen nicht täuschen: Mit authentischer zeitgenössischer Musik hat
das nur wenig zu tun. Aber so ist nun mal das gewöhnungsbedürftige filmmusikalische Konzept
von Sofia Coppola. Sie sieht die Regentin vor allem als naives, verwöhntes Mädchen in den
Wirren der Geschichte - eine junge Frau, die in Versailles am liebsten ausschweifende
Partys feiert, anstatt sich für das eigene Volk zu interessieren. Als musikalische Entsprechung
dafür dienen alternative Songs von Wave- und Post-Punk-Bands wie The Cure, New Order oder The Strokes.
Ob das nun aber wirklich der bevorzugte Musikgeschmack einer ignoranten wie unbedarften
Marie Antoinette wäre - lebte sie denn in unserer Zeit - oder nicht vielleicht doch der der
Regisseurin ist, bleibt fraglich. Schlimmer wiegt aber,
dass dem Kostümfilm eine filmdramaturgisch unterstützende Vertonung fehlt. Ein bisschen
geht es letztlich offenbar auch um einen gewissen Coolness-Faktor, der in CD-Form ganz nebenbei
ein paar zusätzliche Dollars in die Kasse spült.
Songalben verkaufen sich meist besser als Originalmusiken. Diese Weisheit ist nicht neu
- genausowenig wie das vorliegende Musikkonzept. (mr)
Universal Music 06025 1708418
CD1: 46:31 Min. / CD2: 44:44 Min.
Filminfo:
Regie: Sofia Coppola
Darsteller: Kirsten Dunst
Tracklist:
CD 1:
- Hong Kong Garden
performed by Steven Severin
- Aphrodisiac
performed by Bow Wow Wow
- What Ever Happened
performed by The Strokes
- Pulling Our Weight
performed by The Radio Dept.
- Ceremony
performed by New Order
- Natural's Not in It
performed by Gang Of Four
- I Want Candy (Kevin Shields Remix)
performed by Bow Wow Wow
- Kings of the Wild Frontier
performed by Adam & The Ants
- Concerto in G
(Antonio Vivaldi / Reitzell)
- Melody of a Fallen Tree
performed by Windsor For The Derby
- I Don't Like It Like This
performed by The Radio Dept.
- Plainsong
performed by The Cure
CD 2:
- Intro Versailles
(Reitzell / Beggs)
- Jynweythek Ylow
performed by Aphex Twin
- Opus 17
performed by Dustin O'Halloran
- Il Secondo Giorno
performed by Air
- Keen on Boys
performed by The Radio Dept.
- Opus 23
performed by Dustin O'Halloran
- Barricades Mysterious
(Francois Couperin / Reitzell)
- Fools Rush In (Kevin Shields Remix)
performed by Bow Wow Wow
- Avril 14th
performed by Aphex Twin
- Sonata in D Minor, K.213: Andante
(Domenico Scarlatti / Reitzell)
- Tommib Help Buss
performed by Squarepusher
- Tristes Apprets, Pales Flambeaux
(Jean Philippe Rameau /W. Christie)
- Opus 36
performed by Dustin O'Halloran
- All Cats Are Grey
performed by The Cure