Wenn ein Regisseur auf einem Filmfestival Fragen zu seinem Film beantwortet, entstehen immer wieder kuriose Situationen:
U.F.O.-Regisseur Burkhard Feige wurde zum Beispiel gestern Abend nach der Aufführung seines Filmes beim
Braunschweiger Filmfest von einem Zuschauer vorgeworfen, dass eine zentrale Metapher seines Filmes doch hinke. Es folgten drei Minuten
mehr bzw. meist weniger zusammenhängender Ausführungen. Am Ende stand die entwaffnende, an den Regisseur gerichtete Frage: "Hast Du verstanden,
was ich meine?" - "Äh, Nein". In solchen Momenen möchte man dem vorne Stehenden am liebsten zur Hilfe eilen und schreien "Wir auch nicht".
Aber letztendlich gehört das wohl zu den Dingen, die Regisseure bei einem Filmfestival mit engelsgleicher Geduld erdulden müssen.
U.F.O. (D 2010):
Burkhard Feige erzählt in seinem Spielfilm-Debüt von einer Familie mit zwei heranwachsenden Kindern im Jahr 1986. Es ist die
Zeit der Challenger-Katastrophe und des Super-GAUs von Tschernobyl. Und so fällt in der beklemmenden Stimmung irgendwo zwischen realer
Bedrohung und absurder Paranoia zunächst gar nicht auf, dass die Mutter (stark: Julia Brendler) sich immer weiter in schizophrene Wahnvorstellungen
verstrickt. Der Film wird konsequent aus Sicht des 12jährigen Bodo erzählt, der sich die Ereignisse und die fortschreitende psychische Krankheit
seiner Mutter mit kruden Verschwörungstheorien (die zu der Zeit tatsächlich im Umlauf waren) erklärt.
Mit U.F.O. ist Burkhard Feige eine über weite Strecken überzeugende Mischung aus Zeitporträt und Psychodrama gelungen. Dank
einer sorgfältigen Ausstattung gerät die Reise in die Vergangenheit abgesehen kleiner Details (dass die Kinder alles damals gängige
Spielzeug besitzen wirkt wenig glaubhaft) überaus stimmig. Vor allem in der zweiten Hälfte will der ambitionierte Film aber mitunter ein wenig
zu viel, droht sich in den zahlreichen Handlungssträngen (die Verschwörungstheorien der Kinder, die Überforderung des Vaters,
die Liebesgeschichte des älteren Bruders, der Krankheitsverlauf der Mutter etc.) zu verlieren. Weniger wäre hier wohl mehr gewesen.
Dennoch ist U.F.O ein sehenswerter Debütfilm eines vielversprechenden Regisseurs.
Certified Copy (Copie conforme, F/I/Iran 2010):
Ein absolutes Kontrastprogramm zu U.F.O. bot der Iranische Filmemacher Abbas Kiarostami dem Filmfest-Publikum.
In dem dialoglastigen Drama Certified Copy erzählt er von einer französischen Galeristen (Juliette Binoche), die nach einer Lesung
Kontakt mit dem von ihr verehrten Autor James Miller knüpft, der gerade ein Buch über Original und Kopie in der Kunst geschrieben hat.
Sie kann ihn zu einen Ausflug in die Toskana überreden. Obwohl sich bald eine Affäre anbahnt, entstehen schnell Differenzen im Weltbild zwischen
der vom Alltag gestressten Mutter und dem kosmopolitischen Autor. Als sie in dem Dorf, in dem viele junge Paare sich trauen lassen,
zufällig für ein Ehepaar gehalten werden, spielen sie das Spiel mit. Doch Abbas Kiarostami bricht die Handlung weiter auf.
Plötzlich sind die beiden ein Ehepaar, das sich nach fünfzehn Jahren zurück an den Ort der gemeinsamen Hochzeitreise begibt.
Certified Copy ist eine kluge, mitunter philosophische Reflexion zum Thema Beziehung und Ehe, die aber mehr Fragen aufwirft als
Antworten gibt. Durch den irritierenden Bruch in der Erzählung gibt Abbas Kiarostami dem Zuschauer viel Stoff für Diskussionen
und Interpretationen. Manchem mag das zu viel des Guten gewesen sein. Über jeden Zweifel erhaben sind zumindest die beiden Hauptdarsteller:
Völlig zu Recht wurde Juliette Binoche für ihre famose Rolle dieses Jahr in Cannes mit der Golden Palme ausgezeichnet.
Battle for Terra 3D (USA 2007):
Der Kampf um die Zuschauergunst an Kinokassen geht weiter. Seit James Camerons Avatar muss es 3D sein. Doch ist diese Art der
räumlichen Projektion mehr als ein Gimmick, das für kurze Zeit wie eine Jahrmarktattraktion das Interesse des Publikums weckt? Abschließend
konnte auch der animierte Science-Fiction-Streifen Battle for Terra diese Frage nicht beantworten. Der parallel für eine zwei- und
dreidimensionale Projektion gedrehte Film zeigt symptomatisch alle Stärken und Schwächen, mit denen 3D-Filme zu kämpfen haben: Den spektakulär
räumlichen Weltraum-Bildern steht gegenüber, dass der schnelle auf 2D ausgerichtete Schnitt dem Zuschauer selten Zeit gibt, in die fantastischen Welten
des Planeten Terras und seiner knuddeligen Bewohner einzutauchen. Dazu führt der 3D-Effekt immer wieder zu Unschärfen in den Außenbereichen der
Leinwand und ist die räumliche Illusion allzu oft durch die Unterteilung Vordergrund/Hintergrund durchschaubar. Die entscheidende Frage dürfte
aber wie bei allen anderen 3D-Filmen auch lauten, welchen Mehrgewinn der Zuschauer durch die Dreidimensionalität über den reinen Effekt hinaus
erhält.
Denn auch in der 2D-Variante dürfte der von Aristomenis Tsirbas (der für die Special Effects bei Titanic verantwortlich war) inszenierte
Film eine originelle und bildgewaltige Variation des Krieg der Welten-Plots bieten. Die Erdbewohner, die ihren eigenen Planeten
zerstört haben und sich auf der Suche nach einer neuen Heimat befinden, sind nämlich hier die Bösen und die Aliens, die friedliebenden Bewohner des Planeten Terras, die Guten.
Auch wenn deren Welt mitunter entfernt an die Wesen aus Horton hört ein Hu! erinnert, ist Battle for Terra ein unterhaltsamer
Animationsfilm, dem man allenfalls vorwerfen kann, dass er seiner pazifistischen Botschaft zum Trotz allerhand spektakulärer Weltraumschlachten
inszeniert. Aber das ließ der Filmtitel, Battle for Terra - Kampf um Terra, ja auch erwarten. (mr)