Nach sechs Tagen und 17 Filmen endet heute das diesjährige Filmtagebuch vom Internationalen Filmfest in Braunschweig.
Der Sonntagvormittag bot mit der Live-Aufführung von Fritz Langs Metropolis von 1927 einen letzten großen
Höhepunkt der Veranstaltung. Doch zunächst die Vorstellung eines Filmes, der im Artikel von gestern aus Zeitgründen fehlen musste:
Sound of Noise (Schweden 2010):
Die Grundidee für die Komödie Sound of Noise entstammt einem Kurzfilm (Music for one Apartment and six Drummers, 2001), der so erfolgreich war, dass
die beiden Regisseure Johannes Stjärne Nilsson und Ola Simonsson ihn, um eine Rahmenhandlung ergänzt, zu einem Langfilm
erweitert haben. Im Mittelpunkt der Handlung steht eine Gruppe arbeitsloser Schlagzeuger, die skurrile Aktionskunst
als Widerstand gegen das Spießbürgertum an ungewöhnlichen Orten inszenieren. Da wird schon Mal ein Operationssaal zur
Bühne für eine virtuose Percussion-Orgie. Natürlich ist den anarchischen Rebellen schnell die Polizei auf den Fersen und
hätte vielleicht auch Erfolg, wäre nicht der leitende Polizist heimlich in die Anführerin der Bande verliebt.
Die Grundidee von Sound of Noise ist originell und die schrägen Musik-Events sorgen für einige Lacher. Doch dabei
bleibt es leider: Die Charaktere bleiben oberflächlich gezeichnet, die Love Story wirkt bei aller Sympathie
wenig glaubwürdig. Die Ziele der "Musik-Aktivisten" bleiben ebenso unklar. Dem Film geht es allein um die Skurrilität
der absurden Percussion-Events: Und das ist dann doch etwas zu wenig, um über nette Unterhaltung hinauszugehen.
Filmkonzert Metropolis:
Die Wiederentdeckung verloren geglaubter Szenen aus Fritz Langs Stummfilm-Klassiker Metropolis, das war
vor zwei Jahren eine große Sensation, nicht nur in der Filmwelt. Mit Hilfe des in Buenos Aires gefundenen, aber stark beschädigten 16mm-Negativs konnte
die Premierenfassung von knapp zweieinhalb Stunden Länge annähernd wiederhergestellt werden. Im Februar 2010 gab es
dann in Frankfurt unter Leitung von Frank Strobel die Weltpremiere der restaurierten Fassung, in der nur noch wenige Szenen
aus der Urversion fehlen.
Zum Internationalen Filmfest war Metropolis nun auch in Braunschweig zu hören und zu sehen. Vor vollem Haus in der
Stadthalle leitete der Stummfilm-erfahrene Helmut Irmig das Braunschweiger Staatsorchester.
Die Zukunftsvision von der technisierten Metropole, die sich in Unter- und Oberstadt, in Herrschende und Arbeiter unterteilt, hat
auch nach über achtzig Jahren seit der Entstehung nichts von ihrer leuchtenden Faszinationskraft eingebüßt. Es ist vermutlich die Mischung aus
gesellschaftspolitischen Themen und großem Unterhaltungskino, die Metropolis bis heute so universell und zeitlos wirken lassen.
So kann man den Film gleichermaßen als biblische Metapher, als Revolutionsgeschichte und als Zukunftsutopie lesen.
Zugleich vereint er mehrere Genres: von Science-Fiction, Thriller, über den Katastrophenfilm bis hin zur großen Liebesromanze.
Deshalb ist es auch kaum verwunderlich, dass Metropolis zahllosen nachfolgenden Filmen bis heute als Vorbild diente.
Die Musik von Gottfried Huppertz ist grob leitmotivisch orientiert. So gibt es Themen und Motive für Maria, den Herrscher der Oberstadt,
die Maschinen (hier erinnert die Musik interessanter Weise an die Berlin-Musik von Edmund Meisel) usw. Es handelt sich dabei um markante
melodische Einfälle, die sich beim Zuschauer schnell einprägen und den Film tragen. Die Komposition dient
daher nicht nur der Illustration (etwa wenn die Kirchenglocken durch einen Gong gespiegelt werden) der Handlung, sondern auch der
musikalischen Kommentierung der Dialoge abseits der Zwischentafeln.
Zweieinhalb Stunden Musik ohne Unterbrechung -
das stellt die Musiker auf eine große Belastungsprobe, die diese aber mit Bravour meisterten. Mit großer Präzision und Dynamik lotete das Orchester
auch feine Details in der Partitur von Gottfried Huppertz hervorragend aus. Der verdiente Lohn waren tosender Beifall und Standing Ovations des sichtlich
begeisterten Publikums. (mr)