Besondere Sicherheitsvorkehrungen bei der Filmvorführung von Alexander Paynes neuem Film
Nebraska: Zwei im Anzug gekleidete Securíty-Männer bitten bei Einlass um das Ausschalten aller
elektronischer Geräte. Mit Nachtsichtgeräten stellen sie sicher, dass niemand den Film heimlich
mitschneidet. Wenn es hilft...
Nebraska (USA 2013):
Woody ist wieder einmal ausgebüchst. Der alte Mann lebt mit seiner ständig über Gott und die Welt schimpfenden
Frau in einem kleinen Dorf, irgendwo in Montana. Als ihm eine plumpe Werbesendung - ausgestellt auf seinen Namen- einen Millionengewinn
verspricht, beschließt er, sich auf den Weg zu machen um im 900 Meilen entfernten Bundesstaat Nebraska seinen Gewinn abzuholen. Als er immer
und immer wieder verschwindet und einfach zu Fuß losläuft, beschließt sein Sohn, ihn hinzufahren.
Es wird eine Reise zu Woodys Geburtsort und in die Vergangenheit der Familie. Die beiden treffen auf Verwandte und alte Freunde,
die sich ihrerseits ein Stück vom großen Kuchen des angeblich frischgebackenen Millionärs versprechen.
In dem komplett in Schwarz-Weiß gedrehten Road Movie knüpft Alexander Payne ein wenig an About Schmidt an, wirft
einen ähnlich melancholisch-bitteren und zugleich humorvollen Blick auf das gegenwärtige Amerika. Doch Nebraska kann
man mit Fug und Recht als Paynes bislang reifsten und stilsichersten Film bezeichnen. Die hervorragende Kameraarbeit von Phedon Papamichael,
die stimmungsvolle Folk-Musik von Mark Orton und vor allem das brillante Darstellerensemble verschmelzen zu einer überzeugenden
Einheit. Kritisieren kann man bei Alexander Payne allerdings einmal mehr, dass die verhandelten Konflikte wie schon bei
Sideways und The Descendants allein oberflächlich abgehandelt werden und die betulich-ruhige Inszenierung auch
die ein oder andere Länge besitzt. Doch das ist freilich Klagen auf hohem Niveau. Denn für die ein oder andere Oscar-Nominierung dürfte Nebraska in jedem Fall
gut sein.
Henri (Frankreich/Belgien 2013):
Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau, gerät der Gastwirt Henri in eine Lebenskrise. Erst als ihm seine Tochter
die geistig-behinderte Rosette als Mitarbeiterin in seinem Restaurant vermittelt, wirbelt sie mit ihrem grenzenlosen
Optimismus sein Leben durcheinander. Es bahnt sich eine unwahrscheinliche Romanze zwischen der jungen Frau und dem deutlich
älteren Henri an.
Yolande Moreau inszeniert in ihrem zweiten Spielfilm nach Wenn die Flut kommt eine kleine, sympathische Komödie
mit bittersüßen Untertönen, die ganz unverkrampft und selbstverständlich mit dem Thema Behinderung umgeht. In einer gelungen Szenenfolge
zeigt Moreau einerseits frivole Stammtischgesänge in Henris Gastwirtschaft, um dann ganz ähnliche Sprüche und Lieder im
Behindertenwohnheim zu bebildern. Leider mag sich das Drehbuch nicht ganz entscheiden, ob Henri und Rosette ein Paar werden sollen
oder nicht. Das offene Ende wirkt seltsam unentschlossen, als wenn es den Machern am Mut gefehlt hätte, die Handlung konsequent
in die eine oder andere Richtung zu entwickeln. (mr)