Der Ehrenpreis, Die Europa, wurde in diesem Jahr an den dänischen Schauspieler Mads Mikkelsen verliehen.
Mikkelsen ist weltweit derzeit durch seine Rolle in der US-Serie
Hannibal in aller Munde. Die Fans
dazu nennen sich "Fannibals". Und davon gab es eine ganze Menge im Saal, als der Akteur gestern in einem
Interview über sein Schaffen Auskunft gab. Und so wurde das an sich aufschlussreiche Gespräch immer wieder
durch Zuhörer unterbrochen, die sich ein Foto wünschten oder dem Star ein vorgezogenes Geburtstagspräsent (z.B. Halorenkugeln)
überreichen wollten. Doch auch abseits dieser Störungen gab es aufschlussreiche Innenansichten, die
einen auf den Boden gebliebenen Schauspieler präsentierten. So erfuhr man, dass Mikkelsens cineastische Karriere mit dem
Kino von Nicolas Winding Refn begann, das in seinen radikalen filmischen Visionen vom Kino der 70er Jahre, insbesondere
Scorseses
Taxi Driver inspiriert war. Damals gab es im dänischen Kinos noch verfeindete Lager, etwa die
Macher der Dogma-Filme oder eben das Kino von Refn. Diese Grenzen haben sich längst aufgelöst. Inzwischen arbeitet
Mikkelsen für ganz unterschiedliche Regisseure. Es sei ihm aber wichtig, nicht hundertprozentig in einer
Rolle aufzugehen, sondern stets die Kontrolle über die Figur zu bewahren. "Wenn Du Dich in einer Rolle verlierst, hast
Du ein Problem". Spannende Ansichten eines
faszinierenden Schaupielers. Wie er es schaffe, bei allem Erfolg Bodenhaftung zu bewahren? Dazu helfe ihm
der regelmäßige Blick auf die Steuerabrechnung, so
Mikkelsen.
Bota (Albanien 2014):
Filme aus Albanien besitzen im Internationalen Kino Seltenheitswert. Dies liegt vor allem daran,
dass die Zahl der Filmproduktionen in dem kleinen Land doch eher überschaubar ist. Iris Elezis Spielfilmdebüt
Bota über ein kleines Café irgendwo im Nirgendwo kurz nach Fall des Eisernen Vorhangs Anfang der 90er
Jahre ist eines dieser seltenen Beispiele. Und das macht Lust auf mehr: Das ruhige
Drama erzählt von der jungen July, die im Bota-Café als Kellnerin arbeitet. Sie träumt von
einer besseren Zukunft, verfügt aber nicht über das nötige Geld, um sich aus ihrer Einsamkeit zu befreien.
Die Vergangenheit
der Diktatur lastet wie ein Fluch über den Menschen. In der Marschlandschaft
wird nach Opfern des kommunistischen Regimes gesucht. Und so muss sich
auch July der Vergangenheit ihrer Familie stellen. Begleitet von wunderschönen Tangostücken (die während der Diktatur
verboten waren) und mit beeindruckenden Landschaftspanoramen fängt Bota auf berührende Weise
das Dilemma einer Gesellschaft ein, die sich nur ganz allmählich von der Last der eigenen
Vergangenheit lösen kann. Der Wettbewerbs-Film wird damit zu einem wichtigen Beitrag in der Aufbereitung
der Geschichte des Balkan-Staates.
I'll bury you (Belgien 2013):
Die belgische Komödie Je te survivrai - I'll bury you, die ebenfalls im Wettbewerb lief, gehört
eher der leichteren Muse an. Sylvestre Sbille porträtiert darin den selbstverliebten und egoistischen Immobilienmakler Joe,
der das Grundstück seiner sich beharrlich einem Verkauf weigernden Nachbarin Blanche erwerben möchte. Die Hütte der schrulligen
Alten soll - so sein Plan - einem Golfplatz weichen. Doch frei nach dem Motto "Wer anderen eine Grube gräbt", landet er in einer misslichen
Lage und findet sich
auf dem Boden eines Brunnens wieder. Nun ist er es, der auf die Gunst der alten Frau angewiesen ist. Doch so leicht will ihm Blanche
die Rettung nicht machen.
In gewisser Weise ist I'll bury you kaum mehr als eine weitere Variante von Charles Dickens A Christmas Carol,
in der ein Machtmensch und Egozentriker durch ein besonderes Ereignis zum Guten bekehrt wird. Was von der Grundidee her viel Potential
für eine bitterböse Gesellschaftssatire besitzt, verkommt leider zu einer vorhersehbaren Posse, die nicht zuletzt
unter den völlig überzeichneten Charakteren leidet. Es mangelt dazu an guten Einfällen im Detail, an Timing und
Dialogwitz. Nur selten hat der Film die Lacher auf seiner Seite, etwa wenn Joe im Brunnen der isolierten Blanche
hemdsärmlich die Star Wars-Handlung vorspielt. Doch das ist am Ende viel zu wenig, um einen Kinoabend über 90 Minuten zu tragen.
Brazilian Western (Brasilien 2013):
Ein Kleinganove, der sich aus Liebe zu einer Frau von seiner kriminellen Vergangenheit verabschieden möchte, aber letztlich
daran scheitert - das ist der nicht gerade originelle Grundplot von Brazilian Western. Doch unter der Regie von
René Sampaio wird daraus eine schillernde, intensive Gangsterballade. Die ist - wie der Titel andeutet - gleichermaßen von
den Italowestern Sergio Leones als auch dem Mafia-Kino Scorseses inspiriert und verfügt mit der Brasilianischen
Hauptstadt einen faszinierenden Schauplatz.
Im Mittelpunkt steht der junge Joao, der vom Land in die große Stadt kommt,
dort in die Drogengeschäfte seines Cousins verwickelt wird und sich gleichzeitig in die Senatorentochter Maria verliebt.
Joao entscheidet sich für die leidenschaftlichen Liebe. Doch diese Einsicht kommt zu spät. Ein gnadenloser Bandenkrieg hat längst begonnen.
Die unumwundene Kompromisslosigkeit, mit der René Sampaio die Geschichte erzählt, fesselt nachhaltig. So sehr die
Bilder zum Teil stililisiert sein mögen und filmische Vorbilder zitieren, so sehr besitzt der Brazilian Western doch
einen schonungslosen Realismus, der unerbittlich auf das fatale Ende zusteuert. (mr)