Michael Giacchino hat sich in den letzten Jahren als feste Größe in Hollywood etabliert.
Nach den Spielemusiken der
Medal of Honor-Reihe gelang ihm 2004
mit dem Pixar-Spaß
The Incredibles der erste große Achtungserfolg.
Quasi parallel hat er zwei der derzeit beliebtesten US-Serien mit Musik versehen:
den Action-Reißer
Alias und das "Einsame Insel"-Drama
Lost,
dessen Vertonung ihm den Emmy einbrachte und nun dank Varèse Sarabande erstmalig auf CD vorliegt.
Anders als bei Alias verzichtet Giacchino
auf den großflächigen Einsatz der Elektronik. Nur die ersten Stücke (wie der kurze und blasse von J.J.
Abrams komponierte Main Title) schwächeln mit düster brodelnden Synthie-Klängen,
die wenig Gutes befürchten lassen. Doch wer diesen blassen Anfang einmal
überstanden hat, wird von einem Wechselspiel aus sorgfältig instrumentierten
Spannungsuntermalungen und klangschönen romantischen Stücken überrascht.
Das einfühlsame Klavierthema ("Win for the Reaper") wird zum tragenden Gedanken
der ruhigen Sequenzen und bildet gleichzeitig einen wohltuenden Kontrast zu
den sperrigen, partiell von Dissonanzen durchsetzten Suspense-Stücken, in denen perkussive
Passagen und frenetische Streicherostinati für schrille Schockeffekte sorgen.
Doch trotz dieser guten Ansätze mag die Rechnung nicht ganz aufgehen.
Die geradezu strikte Trennung zwischen Spannungsstücken und romantischen
Passagen, die auch die motivische Verarbeitung mit einschließt, lässt
die Komposition ein ums andere Mal sehr inhomogen erscheinen. Zum anderen ist
das elegante Klavierthema zwar schön, wird aber kaum variiert und letztlich auch
eine Spur zu häufig eingesetzt. So verdichtet man die über einstündige Musikauswahl
von Varèse Sarabande am besten zu einer deutlich kürzeren Suite,
die die wichtigsten Höhepunkte vereint. Und davon gibt es durchaus welche:
das lyrische Violinsolo in "Departing Sun", das triumphale "Parting Words"
oder das schöne Endstück "Oceanic 815" zum Beispiel. Doch selbst die beiden
letztgenannten Stücke offenbaren mit ihren abrupten, ins Leere laufenden Ende
noch einmal symptomatisch die Unebenheiten der ansonsten erfreulich ambitionierten
Serienvertonung.
Auch wenn es immer wieder mal über die 65minütige Laufzeit monoton und düster
aus dem Synthesizer brodelt, setzt sich Lost mit seinen stärkeren
thematischen Akzenten und der detailgenauen Orchestrierung deutlich von den Alias-Musiken ab.
So dürfen um die Eigenständigkeit der Komposition besorgte Serien-Anhänger beruhigt sein: Die Lost-CD funktioniert auch abseits der
Mattscheibe und besitzt durchaus einige Hörqualitäten. Ob das aber ausreicht, um auch viele Nicht-Fans
zu erreichen, bleibt abzuwarten. (mr)