Wenn man den Namen Philip Glass hört, denkt man unwillkürlich an die
Orchesterwerke oder die Filmmusiken des Komponisten. Man würde ihn kaum mit
einem Songwriter in Verbindung bringen. Doch es ist genau diese Seite, die
das neue Doppel-Album
Songs von Sony Classical beleuchtet.
Die erste CD mit dem Titel "Songs from liquid Days" widmet sich der Vertonung
von Texten, die aus der Feder so renommierter Künstler wie Paul Simon, Suzanne Vega,
David Byrne und Laurie Anderson stammen. Zum Inhalt haben sie Betrachtungen über die
Natur und philosophische Gedanken. Glass verkleidet die musikalische Seite mit einer
sparsamen Instrumentierung und minimalistischen Phrasen, wie man sie aus seinen
Filmmusiken und Arbeiten für den Konzertsaal bereits in sehr ähnlicher Gestalt
gehört hat. Doch dies ist nicht die eigentliche Schwäche des Liederzyklus.
Den Songs haftet eine seltsame Leblosigkeit und Künstlichkeit an, die durch den steifen
Gesang sogar noch verstärkt wird. Die blasse und wenig inspirierte Vertonung
trägt ihren Teil zum schwachen Gesamteindruck der ersten CD bei.
Die zweite, "Songs from the Trilogy" betitelt, widmet sich Liedern aus den drei Opern
"Einstein on the Beach" (1977), "Satyagraha" (1980) und "Akhnaten" (1983).
Um sie ist es deutlich besser bestellt. Hier harmoniert die kunsthafte Musik
mit dem nicht minder kunsthaften Gesang. Die faszinierenden, scheinbar entrückten
Arien lassen eine eigentümliche, aber immer auch interessante Atmosphäre entstehen.
Natürlich bleiben die Opern ebenfalls dem Minimalismus verpflichtet und sind deshalb sicher
Geschmackssache. Doch nicht nur Experimentierfreudigen bieten sie
eine reizvolle Hörerfahrung. Es versteht sich dabei wohl von selbst, daß die enthaltenen
Ausschnitte nur einen wagen Eindruck in die vollständigen Werke vermitteln können.
Wer sich für die Opern von Philip Glass interessiert, bekommt hier aber schon einmal
einen kleinen Vorgeschmack auf das, was ihn erwartet.
Insgesamt sind die Songs eine zwiespältige Angelegenheit und zählen kaum
zu den besten Werken des Komponisten. Gerade die erste CD enttäuscht doch sehr.
Darüber können auch die Opernhöhepunkte der zweiten Hälfte und das ausführliche
Booklet nur bedingt hinwegtäuschen. Man wird Philip Glass deshalb wohl auch weiterhin
nicht wegen seiner Lieder in Erinnerung behalten. (mr)
Sony Classical SX2K 89745
The Philip Glass Ensemble - Dirigent: Michael Riesman
New York City Opera Orchestra & Chorus - Dirigent: Christopher Keene
Stuttgart State Opera Orchestra & Chorus - Dirigent: Dennis Russell Davies
CD1: 6, 39:51 Min. / CD2: 12, 54:20 Min.
Tracklist:
CD1:
- Changing Opinions (9:56)
(Text: Paul Simon; performed by Laurie Anderson)
- Lightning (6:42)
(Text: Suzanne Vega; performed by Janice Pendarvis)
- Freezing (3:15)
(Text: Suzanne Vega; performed by Linda Ronstadt)
- Liquid Days (part 1) (4:45)
(Text: David Byrne; performed by The Roches)
- Open the Kingdom (Liquid Days, part 2) (6:59)
(Text: David Byrne; performed by Douglas Perry)
- Forgetting (8:09)
(Text: Laurie Anderson; performed by Linda Ronstadt & The Roches)
CD2:
- Protest (4:21)
- Evening Son (4:11)
- Hymn to the Sun (6:17)
- Trial / Prison (2:51)
- Akhnaten & Nerfertiti (4:17)
- Kuru Field of Justice (6:08)
- Knee 1 (3:32)
- Tolstoy Farm (4:58)
- Window of Appearances (4:24)
- Bed (3:42)
- Epilogue (4:22)
- Knee 5 (5:11)
1,2,6,8 aus der Oper Satyagraha (1980)
3,5,9,11 aus der Oper Akhnaten (1983)
4,7,10,12 aus der Oper Einstein on the Beach (1977)