Der Holocaust und der Nationalsozialismus ließen den deutschen Film auch im Jahr
2005 nicht los. Kaum waren Oliver Hirschbiegels
Der Untergang und das Drama
Napola
aus den Kinos verschwunden, startete im März
Sophie Scholl - Die letzten Tage.
Marc Rothemund hat darin eine beklemmende Aufarbeitung der letzten Woche im Leben der
berühmten Widerständlerin der "Weißen Rose" - von der Vorbereitung der
Flugblattaktion in der Münchener Universität bis zur Hinrichtung am 22. Februar 1943 -
geschaffen. Gegenüber den zwei früheren Adaptionen des Stoffes (
Die weiße Rose von
Michael Verhoeven und
Fünf letzte Tage von Percy Adlon) genoss er dabei den Vorteil,
erstmals auf die in den Stasi-Archiven erhalten gebliebenen Gestapo-Protokolle der Verhöre der Sophie
Scholl zurückgreifen zu können.
Die Vertonung von Johnny Klimek und Reinhold Heil setzt stärker musikdramaturgische Akzente
als Stephan Zacharias in Der Untergang bzw. Normand Corbeil in Napola.
Sie tritt mit rhythmischen Suspense-Stücken, einem dezenten Klavierthema für Sophie Scholl
und im letzten Drittel mit Streichern und sakral anmutenden Chorälen merklich manipulativer
in Erscheinung. Besonders am Ende, wenn wehklagende Celli und Violinen die Hinrichtung
der Widerständlerin beweinen und symbolhaft Kirchenglocken erklingen, ist die Grenze zum
melodramatischen Kitsch nicht fern. Damit schließt sich dem Hören unmittelbar die Frage an,
ob eine um Authentizität bemühte filmische Annäherung an ein derart sensibles Thema wirklich
eine effektheischende Filmmusik wie diese nötig hat bzw. ob diese dem Film vielleicht nicht
sogar mehr schadet als nützt.
Abseits einer solchen Betrachtung, in der wohl letztendlich
der persönliche Geschmack entscheidet, wirkt die Musik auch allein von CD gehört eher blass.
Offenbar aus Budgetgründen spielt nur ein kleines Orchesterensemble, das hauptsächlich aus
Streichern besteht. Zur Verstärkung setzen Klimek und Heil auf ein synthetisches Fundament in
Form von sphärischen Klangflächen und Drumloops. Recht passabel ist das Hauptthema für
Sophie Scholl - eine traurige Klaviermelodie - geraten. Dazu tritt ein einfaches, aber
effektvolles Spannungsmotiv in den Streichern, das für die Bedrohung durch die Nazis bzw.
die Gestapo steht.
Es ist vor allem die einfache Ausgestaltung - die praktisch fehlende Verarbeitung der
Themenbasis und die schlichte Orchestrierung, die die Musik zu Sophie Scholl in das Abseits
einer weitgehend biederen und konventionellen Vertonung stellt. Wenige Höhepunkte wie das
packende Spannungsstück "Mit dem Tode bestraft" und die hübschen Klaviereinlagen können nicht
über die ansonsten durchschnittliche und monotone Machart hinwegtäuschen. Auch die etwas unglückliche
Integration von Source-Stücken wirkt sich negativ auf den Hörfluss aus.
Immerhin kann sich das aufwändige Booklet sehen lassen: Hierin findet sich ein ausführliches
Interview mit Regisseur Marc Rothemund, bei dem die Musik aber leider nicht angesprochen wird. (mr)
Normal Records NORMAL 268 CD
Slowakisches Radio Symphoneo & Kammerchor der Oper Bratislava
Dirigent: Allan Wilson
46:59 Min.
Filminfo:
Regie: Marc Rothemund
Darsteller: Julia Jentsch
Tracklist:
- Sugar (2:47)
performed by Billie Holiday
- Das 6. Flugblatt (1:46)
- Sophies Thema (1:03)
- Forellenquintett (3:35)
performed by Adrian Aeschbacher - Hanke Quartett
- Heute fliegt der Funke (1:29)
- Verteilung (3:34)
- Verhaftung (2:04)
- Mother And Son (2:10)
(Gert Wilden jr.)
- Voiceless (3:30)
(Christoph Gracian Schubert)
- Ungewissheit (0:48)
- Erinnerungen (1:36)
- Gebet (0:35)
- Entscheidung (0:35)
- Christoph (1:24)
- So ein schöner, sonniger Tag (0:56)
- Ein harter Geist, ein weiches Herz (0:52)
- Zum Gericht (1:40)
- Mit dem Tode bestraft (4:20)
- Ich würde es genauso wieder machen (1:51)
- Umarmung (2:22)
- Vollstreckung (1:17)
- Durch die Nacht klingt ein Lied (3:17)
performed by Willi Stanke und sein Orchester
- I´m Making Believe (3:16)
performed by Ella Fitzgerald