Eine leichte Liebesgeschichte sollte Kurt Tucholsky Anfang der 30er Jahre auf Wunsch
seines Verlegers schreiben. Heraus kam die reizvolle Romanze "Schloß Gripsholm"
um den Sommerurlaub eine Pärchens in Schweden. Der Stoff wurde zum ersten Mal 1963
von Kurt Hoffmann ins Kino gebracht. Die neue Verfilmung des Schweizers Xaxier Koller (
Reise der Hoffnung)
verarbeitet nicht nur die Vorlage, sondern auch Teile der Biographie Tucholskys und überträgt deshalb
die Unbeschwertheit des Buches nur in Ansätzen zugunsten einer vergleichsweise schwermütigen Atmosphäre.
Die Filmmusik komponierten die Schweizer Olivier Truan und David Klein von
der Gruppe Kol Simcha, die von Kritikern in den letzten Jahren für ihre Verarbeitung jüdischer Folklore
hochgelobt wurde. Neben der Originalmusik vertonte das Ensemble vier Gedichte von Kurt Tucholsky ("Tamerlan", "Anna-Luise", "Sie zu ihm"
sowie "Körperkultur") neu. Diese bilden den musikalischen Hintergrund der in Berlin spielenden Barszenen.
Die wundervoll komponierten und instrumentierten Lieder werden im Film als auch auf CD
mit viel Charme und Leidenschaft von der Schauspielerin Jasmin Tabatabai gesungen.
Als Höhepunkte sind hier das temperamentvolle "Tamerlan" mit den virtuosen Klarinettensoli
Michael Heitzlers und das ironische "Sie zu ihm" zu nennen. "Anna Louise", schon zu Lebzeiten
von Hanns Eisler vertont und in den 20er Jahren überaus populär, fehlt in der neuen Version
allerdings ein wenig die Ironie, die noch die Erstvertonung auszeichnete.
Die Originalmusik, eingespielt vom Münchener Festivalorchester, kann ähnlich überzeugen
wie die Lieder. Die melancholische Komposition mit ihren ruhigen verträumten Streicherpassagen,
die häufig vom Klavier begleitet werden, schwelgt in bittersüßer Schwermut. In dem schönen "Tamerlan slow" wird das Tamerlan-Thema
in einem Bolero wieder aufgegriffen. Reizvoll auch das leichte "Fahrrad" oder der von
Michael Heitzler geschriebene Charleston. Schade nur, daß sich die Komposition gerade in der
zweiten Hälfte ein wenig zu sehr in stimmungsbetonter Traurigkeit verliert und dabei die musikalische
Dramaturgie vernachlässigt.
Doch insgesamt überwiegt der positive Eindruck.
Die gelungene Einspielung und das exzellente Klangbild machen Gripsholm zu einer
der schönsten Filmmusiken der letzten Jahre im deutschsprachigen Raum. (mr)
Voice of Joy VOJ 04-00
Münchener Festivalorchester
Dirigent:
Basil Coleman
18, 47:50 Min.
Regie: Xavier Koller
Darsteller: Ulrich Noethen, Heike Makatsch