Zu den zahllosen Filmen, die in den 80er Jahren in ihrem Versuch, an den riesigen Erfolg von modernen Science-Fiction-Klassikern
wie
Alien,
E.T. und
Star Wars anzuknüpfen, kläglich scheiterten, gehörte auch
Lifeforce -
Die tödliche Bedrohung von 1985. Im kruden Schocker von
Poltergeist-Regisseur Tobe Hooper geht es um eine
Vampir-Invasion aus dem Weltall, die durch drei in einer zerstörten Raumfähre gefundene Körper in London ausgelöst wird.
Bei der Vertonung des Filmes ging man zunächst ungewöhnliche Wege: Der eher für leichte Kost berühmt gewordene Henry Mancini
wurde verpflichtet, die Musik zum düsteren Reißer beizusteuern. Für Mancini, den die meisten Kinogänger wohl ewig mit dem Gassenhauer
"Moon River" aus Frühstück bei Tiffany und dem Thema des Rosaroten Panthers verbinden werden, war Lifeforce
einmal mehr in seiner langen Karriere eine willkommene Gelegenheit, die eigene Vielfältigkeit als Komponist unter Beweis
zu stellen und zugleich zu den eigenen Wurzeln in den 50er Jahren zurückzukehren. Damals hatte er bereits unter nicht immer
einfachen Umständen hinsichtlich Zeit und Budget bei Universal zahlreiche B-Movies im Horror- und Science Fiction-Genre
vertont. Bei Lifeforce konnte er nun genau auf diese Erfahrung zurückgreifen, zugleich aber mit dem renommierten
London Symphony Orchestra arbeiten.
Doch auf Lifeforce lastete zugleich der Fluch destruktiv in den Filmprozess eingreifender Studio-Produzenten,
die mit der ersten knapp über zwei Stunden langen Filmfassung nicht zufrieden waren. Tope Hooper musste rund
25 Minuten Material entfernen. Dieser Neuschnitt betraf auch die fertige Filmmusik (angeblich etwa 100 Minuten),
die Henry Mancini zu diesem Zeitpunkt bereits komplett aufgenommen hatte - darunter seine sechzehnminütige ohne
Unterbrechung für den Prolog vorgesehene Musik, die komplett zerstückelt wurde (inzwischen wurde in den USA übrigens
die ursprünglich gedachte Fassung mit der intakten Mancini-Musik für die DVD-Veröffentlichung rekonstruiert).
Da Mancini für die notwendigen Änderungen an der Musik nicht mehr zur Verfügung stand und verständlicherweise über alle Maßen
verärgert war, wurde der junge Michael Kamen verpflichtet, neue Musik einzelnen Szenen des Filmes beizusteuern. Die
kuriosen Entstehungsumstände lassen wenig Gutes für die eigentliche Komposition vermuten. Und tatsächlich zerfasert
die Arbeit Mancinis sowohl in stilistischer als auch in konzeptueller Hinsicht.
Das markante heroische Hauptthema bildet
mit seinem eingängigen Marsch das auf vielen Kompilationen verewigte Schaustück der Vertonung. Zwangsläufig wirkt es
für einen düsteren Horrorreißer wie Lifeforce im Prinzip seltsam deplaziert, scheint vielmehr ein Zugeständnis
an den Erfolg von Heldensagen à là Star Wars & Co zu sein. Bezeichnenderweise findet es im Film nur zu
Beginn und im Finale Verwendung, wird ansonsten nicht auch nur einmal von Mancini aufgegriffen (von
einigen rhythmischen Referenzen im letzten Drittel einmal abgesehen). Stattdessen folgt mit dem knapp zwanzigminütigen
"The Discovery" für den auf der Raumfähre spielenden Prolog die bereits oben erwähnte impressionistisch wirkende
Tondichtung, deren atmosphärische Klangfarben wiederum ein klein wenig an Jerry Goldsmiths Alien
erinnern. Doch durch die Verwendung synthetischer Klangschichten, wie sie in den 80er Jahren üblich waren, wirkt das
ansonsten eindringliche Stück leicht verwässert. Schillernd sind hingegen die sirenenartigen Chor-Vokalisen.
Was nach diesem starken Beginn folgt sind in der Qualität doch sehr wechselnde Spannungsuntermalungen.
Während es ein ums andere Mal gelingt, an die intensive Atmosphäre von "The Discovery" anzuknüpfen, brodeln
andere Stücke mit synthetischen Klangeffekten und einfacher Orchesterarbeit eher atmosphärisch vor sich hin. Gemeinsam ist
ihnen jedoch die grimmige, spröde Grundstimmung, die nur selten von den heroisch aufspielenden Blechbläsern
etwas aufgebrochen wird.
Während bereits Ende der 80er Jahre LP und CD Henry Mancini Musik in der originalen Form in einer 37 Minuten langen
Fassung präsentierten, hat BSX Records 2006 erstmals eine Doppel-CD mit der nahezu kompletten Komposition auf den
Markt gebracht. Enthalten sind rund 80 Minuten von Mancini, circa 20 Minuten der Anteile Michael Kamens
und als Zugabe zum Vergleich der alte LP-Schnitt. Michael Kamens Beitrag fällt dabei besonders blass aus. Der
damalige Newcomer badet in atmosphärischen - zum großen Teil elektronisch erzeugten - Klangflächen, die von schrägen
Dissonanzen durchsetzt und deshalb kaum von den Bildern zu trennen sind. Man merkt diesen Stücken deutlich
den Zeitdruck an, unter dem sie entstanden sein müssen. Sie wirken - hier spiegeln sich natürlich auch die damaligen
Produzentenwünsche - wie typische elektronische Spielereien aus den 80er Jahren und haben aus heutiger
Sicht doch einigen Staub angesetzt. Ob man Kamens Anteile als Vervollständigung seiner Diskographie begrüßt
oder nicht, mehr als eine Fußnote zur eigentlichen Filmmusik Mancini können sie kaum angesehen werden.
Ohnehin ist die vollgepackte Lifeforce-Doppel-CD vom Repertoire-Wert her eine zwiespältige Angelegenheit:
Einerseits spricht BSX hier mit einem sehr informativen Begleitheft, das detailliert auf die wirren
Entstehungsumstände von Film und Musik eingeht, und der wohl alle Wünsche erfüllenden Musik-Repräsentation
zweifellos das letzte Wort in Sachen Lifeforce auf Tonträger. Doch so ganz wird man das Gefühl nicht
los, das wie schon im Vorfeld der Veröffentlichung von Manchem befürchtet - ein einfacher Reissue des alten
LP-Schnitts es im Grunde auch getan hätte. Denn gerade die neuen Anteile erweisen sich als netter,
aber streng genommen kaum essentieller Bonus. Sei es drum: Fans des Filmes bzw. von
Mancini & Kamen kommen hier voll auf ihre Kosten und haben nicht zuletzt seit geraumer Zeit endlich wieder
die Möglichkeit, die begehrte Lifeforce-Musik auf Tonträger zu erwerben.