Yo-Yo Ma liebt musikalisches Neuland. Mit einem offenen Ohr für andere
Kulturkreise und neue Kompositionen hat der 46-jährige Starcellist ein ums andere Mal
für Wirbel im angestaubten Programm der gängigen Konzertsaalbetriebe gesorgt.
Einspielungen wie die von Mark O'Connors
Appalachian Waltz oder die
jüngst veröffentlichte CD mit Werken von John Williams beweisen seinen Mut,
auch weniger Bekanntem eine Chance zu geben, gehört zu werden.
Das bislang ambitionierteste und aufwändigste Projekt führte den
Japaner auf eine außergewöhnliche Entdeckungsreise entlang der Seidenstraße.
Ziel Yo-Yo-Mas war und ist es, Künstler und Komponisten unterschiedlicher
Kulturkreise zusammenzubringen und eine Brücke zwischen ihnen zu schlagen.
Grundstein der "Silk Road Journey" war die Feldforschung von Musikethnologen,
die Material aus China und Zentralasien zusammentrugen. Mitte 1999 wurde
an 16 Musiker Kompositionsaufträge vergeben. Sie und vierzig weitere Virtuosen
aus aller Welt formierten das Silk Road Ensemble, das derzeit auf Konzerttournee
durch Europa reist.
Auf der ersten einer ganzen
Reihe geplanter Veröffentlichungen präsentieren sich elf der so entstanden Werke,
zum Teil aufbereitete Traditionals wie das schöne aus China stammende Stücke
"Blue little Flower". Musiziert wird auf ungewöhnlichen ethnischen Instrumenten.
Ma spielt neben seinem geliebten Cello eine zweisaitige Fiedel mit geschnitztem
Pferdekopf, ein mongolisches Instrument. Eine altchinesische Mundorgel, Sheng genannt,
und die Brettzither Kanun sind nur zwei einer ganzen Palette ungewöhnlicher
Klangkörper, die darüber hinaus zu hören sind.
Dementsprechend fremdartig und exotisch klingen die einzelnen Kompositionen. Von den
mongolischen Gesängen Ganbaatar Khongorzuls über die finnischen Folklorelieder Michio
Mamiyas bis hin zu der Mischung aus klassischer persischer Musik und westlicher
Musiktradition wird ein buntes Kaleidoskop unterschiedlicher Stile und Einflüsse
geboten. Am ehesten lassen sich einige der Stücke noch mit Tan Duns
Tiger & Dragon-Filmmusik vergleichen, von der ebenfalls ein
kurzer Ausschnitt als Bonus enthalten ist.
Natürlich ist das Programm der Silk Road Journey zunächst ungewohnt für westlich
geprägte Hörgewohnheiten. Wer aber ein offenes Ohr für Folklore und experimentelles
Crossover hat, wird von der der exotischen Klangvielfalt begeistert sein.
Die Initiative Yo-Yo Mas, der mit seiner Popularität dem Projekt viel Aufmerksamkeit
eingebracht hat, verdient viel Lob. Man merkt der CD das leidenschaftliche Engagement
aller Beteiligten an.
Wenn es einen Schwachpunkt der Zusammenstellung gibt, dann ist es das Fehlen wirklich
ausführlicher Informationen im Booklet. Dieses ist zwar ansprechend gestaltet
und bietet durchaus informative Texte. Doch beim Hören des Albums wird schnell der Wunsch
entstehen, tiefer in die kulturelle Welt der Seidenstraße einzudringen, als es das
Begleitheft zuläßt.
Ingesamt überwiegt aber der positive Eindruck der faszinierenden CD. Somit
bleibt zu hoffen, daß die musikalische Reise entlang der Seidenstraße noch
lange nicht beendet ist. (mr)