Alfred Newmans Musik zu
Captain from Castile von 1947 gehörte zu den ersten
Soundtrack-Alben, die überhaupt produziert worden sind. Die LP soll sich seinerzeit in Amerika
sogar recht ordentlich verkauft haben. Auf CD hingegen war die Partitur bis vor kurzem
nur als Konzertsuite erhältlich. Während eine Neuaufnahme weiterhin auf sich warten
läßt, hat Tsunami nun erstmals die komplette Originalaufnahme auf einer neuen
Doppel-CD zugänglich gemacht.
In sauberem Mono erklingt damit nun eine der großen Newman-Partituren
der 40er Jahre, die zeitlich neben anderen wichtigen Arbeiten wie Prince of Foxes, The Robe
und Song of Bernadette steht. Während Korngold für die Errol Flynn-Abenteuer bei den
Warner Studios verantwortlich war, kümmerte sich Alfred Newman indessen zeitgleich um die Kostümfilme
mit Tyrone Power in der Hauptrolle bei 20th Century Fox.
Einer dieser prunkvoll ausgestatteten Abenteuerfilme war Der Hauptmann von Kastilien
um einen spanischen Edelmann (Power), der zu Unrecht von
der Inquisition gefangengenommen wird. Er kann aus seiner Haft fliehen und wird erst nach der
Teilnahme an einer erfolgreichen Expedition zu den Azteken rehabilitiert.
Wie viele von Newmans Kompositionen ist auch Captain from Castile
eine großangelegte, deutlich spätromantisch geprägte Partitur. Hinzu kommt eine gute Portion lateinamerikanischer
Harmonien, die dem Schauplatz der Handlung Rechnung tragen. Die üppige Musik glänzt mit ihren
eingängigen Melodien, der packenden Dramatik und einer raffinierten Verarbeitung des thematischen
Materials. Einer von vielen Höhepunkten ist der wuchtige heroische Marsch mit
128-Mann starkem Orchester am Ende. Doch über weite Strecken bleibt die Musik
intimer, die Besetzung kleiner.
In ihren prachtvollen Melodien und
ihrer abwechslungsreichen Gestaltung gehört
Captain from Castile zu den schönsten Filmmusiken Alfred Newmans.
Auch wenn eine Neuaufnahme in besserer Klangqualität wünschenswert wäre,
ist die Tsunami-Doppel-CD eine sehr willkommene Veröffentlichung der Originaleinspielung.
Schade ist allein, daß der Begleittext im Booklet neben einer aufschlußreichen Newman-Biographie nur
sehr knapp auf die Musik selber eingeht.
Als Bonus enthalten ist eine zweite Filmmusik Alfred Newmans, die ein Jahr nach
Der Hauptmann von Kastilien entstand: The Snake Pit (Die Schlangengrube)
von 1948. In dem Melodram von Anatole Litvak wird eine junge, labile Frau (de Havilland) in eine
psychiatrische Anstalt eingewiesen, wo sie mit einer Schocktherapie behandelt wird.
Im Gegensatz zum üppigen, ausladenden Gestus der Abenteuermusik des Captain from Castile
ist die Partitur für das Psychodrama themengemäß sparsamer im Einsatz romantischer Melodien.
Eher ungewöhnlich für Newmans Kompositionen trägt seine Arbeit hier deutlich dissonante Züge,
offensichtlicher Spiegel der schlechten Verfassung der Patientin. Ihre Panik verdeutlichen
hohe, zum Teil sogar schrill aufspielende Streicher. Der Grundton der Musik bleibt weitgehend
düster und die spärliche Orchestrierung verbreitet eine sehr spröde Atmosphäre.
The Snake Pit ist keine leichte Kost und sicher keine Musik, die man häufiger hört.
Hochinteressant ist sie vor allem deshalb, weil sie so weit abseits der Kinosinfonik
steht, wie man sie üblicherweise aus dem Golden Age zu hören bekommt.
Auch im Falle von The Snake Pit stimmt die Klangqualität, die ebenfalls für ihr
Alter erstaunlich gut aufbereitet wurde.
Der Tsunami-Doppel-CD gelingt es, mit den beiden äußerst gegensätzlichen Musiken, einen weiteren
spannenden Einblick in die Filmkompositionen Alfred Newmans zu vermitteln. Allein das schwache Booklet
kann nicht mit vergleichbaren Produktionen des US-Magazins Film Score Monthly
mithalten. Dennoch ist das vorliegende Album eine wichtige Neuerscheinung in Sachen Aufarbeitung
der Filmmusik des Golden Age. (mr)
Tsunami TCI 0620/21
Dirigent: Alfred Newman
CD1: 18, 50:17 Min. / CD2: 22, 49:12 Min.
Captain from Castile:
Deutscher Titel: "Der Hauptmann von Kastilien"
Regie: Henry King
Darsteller: Tyrone Power
The Snake Pit:
Deutscher Titel: "Die Schlangengrube"
Regie: Anatole Litvak
Darsteller: Olivia de Havilland