Es trifft leider viel zu oft zu, dass Filmkomponisten nach ein paar ähnlich gelagerten
Arbeiten von den Machern in Hollywood in eine Genre-Schublade gesteckt werden, aus der es so schnell kein Entrinnen
mehr gibt. Auf Nummer sicher gehende Produzenten, die immer wieder eine Replik des Altbekannten fordern, haben so sicher
dazu beigetragen, dass es um die filmmusikalische Kreativität in der Traumfabrik derzeit derart
schlecht bestellt ist. Doch es gibt auch Ausnahmen: Thomas Newmans Vertonung zu Steven Soderberghs
The Good German - In den Ruinen von Berlin ist eine davon. Das Drama, eine Hommage an den Spionage-Thriller und das
Film Noir-Kino der 40er Jahre, erforderte offensichtlich eine andere Herangehensweise als bei
Newmans exotisch instrumentierten Dramen-Musiken der letzten Jahre von Nöten war.
Um so schöner, dass Soderbergh, mit dem Newman erstmals bei Erin Brockovich
zusammen gearbeitet hatte, seinen Komponisten hier vertraut und die Chance gegeben hat, einmal gänzlich neue
Wege einzuschlagen.
Newman hat die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und eine packende, düster-dramatische
Spannungsvertonung geschaffen, die ihre Vorbilder zwangsläufig in den Größen des Golden Age,
also dem eigenen Vater Alfred Newman, aber auch Miklos Rozsa, und Max Steiner (dessen Musik beim
Drehen verwendet wurde) sucht. Die ohne elektronische Spielereien auskommende, vollständig
sinfonische Komposition lebt im Wesentlichen von zwei prägnanten Themen: einer markanten,
aus drei Noten bestehenden Fanfare, die sich als Hauptthema in zahlreichen Variationen durch
die Partitur zieht und einem lyrischen Liebesthema, das zumeist auf der Solovioline erklingt
(z.B. in "A good Dose"). Newman hält bis zum Schluss konsequent den düsteren, manchmal auch
spröde-sperrigen und melancholischen Tonfall durch. Das diese hauptsächlich auf die Atmosphäre
ausgerichtete Stilisierung nicht auf Kosten des Hörflusses
geht, dafür sorgen die gute Variationsarbeit, eine abwechslungsreiche Orchestrierung und die
flüssige Ausgestaltung.
Doch es sind nicht nur diese Stärken, die The Good German zu einer besonders starken
Filmmusik machen. Es ist vor allem auch der Umstand, dass es Newman überaus raffiniert
gelingt, der Musik über die reine Hommage hinaus seinen eigenen Stempel aufzudrücken,
der nachhaltig beeindruckt. Wer genau hinhört, wird in der Instrumentierung und der Harmonik
immer wieder kleine Verweise auf frühere Newman-Musiken entdecken. Damit ist
The Good German ein gutes Beispiel dafür, dass die Handschrift eines Komponisten nicht
gleichbedeutend mit einem Selbstplagiat sein muss. Newmans Musik
verbindet auf spannende Art und Weise die Tradition des Golden Age mit einer neuen,
modernen Filmmusik des Kinojahres 2006. Ein echtes Highlight des abgelaufenen Jahres, eine richtungsweisende
Arbeit für Thomas Newman und eine Musik,
die verdientermaßen für den Oscar nominiert wurde.
(mr)
Varèse Sarabande VSD-6781
The Hollywood Studio Symphony
Dirigent: Thomas Newman
44:44 Min.
Filminfo:
Deutscher Titel: "In den Ruinen von Berlin"
Regie: Steven Soderbergh
Darsteller: George Clooney, Cate Blanchett
Tracklist:
- Unrecht Oder Recht (2:25)
- River Havel (1:06)
- Countess Roundheels (1:21)
- Such a Boy (1:34)
- Kraut Brain Trust (1:04)
- The Russian Deals (1:11)
- A Good Dose (1:11)
- Muller's Billet (0:48)
- Wittenbergplatz (0:45)
- Triop Ticket (1:41)
- Safe House (0:57)
- A Nazi and a Jew (1:50)
- Dora (2:49)
- Kurfurstendamm (:43)
- The Big Three (1:24)
- A Persilschein (1:35)
- Stickball (0:27)
- Golen (1:09)
- Atom Bomb (1:30)
- The Good German (2:09)
- Hannelore (1:00)
- Occupation Marks (1:19)
- U-Bahn (1:35)
- The Brandenburg Gate (1:25)
- Skinny Lena (1:44)
- Rockets for Our Side (1:49)
- Always Something Worse (2:05)
- Godless People (2:44)
- Jedem Das Seine (2:49)