Rachel Portman hat sich mittlerweile zu der gefragtesten Komponistin in Hollywood entwickelt.
Der Oscar für die Jane Austen-Verfilmung
Emma (1996) ebnete ihr den Weg für eine Reihe ambitionierter
Projekte wie etwa
Beloved - Menschenkind (1998) oder nun
The Cider House Rules nach dem Roman
von John Irving, der auch das oscarprämierte Drehbuch der Leinwandadaption schrieb.
Die Britin Portman hat sich mit Kompositionen für Familiendramen wie The Joy Luck Club ("Töchter des
Himmels", 1993) oder Marvin's Room ("Marvin's Töchter", 1996) als eine Expertin für schöne Melodik
in warmen Klangfarben etabliert.
Für Lasse Hallstroems Waisenhausdrama hat sie eine eine
lyrische Partitur voller Eleganz und Anmut komponiert. Für sich genommen zählt die Musik zu den schönsten
und unmittelbar ansprechendsten des Kinojahres 1999.
Vergleicht man jedoch mit Emma, fallen sofort die unübersehbaren
Parallelen beider Tonschöpfungen auf. Dies gilt sowohl für die erzeugte Stimmung als auch für
die zentralen Themen. The Cider House Rules ist allerdings insgesamt schlichter und weniger abwechslungsreich
als Emma ausgefallen. Das einprägsame Hauptthema mit seinem kindlichen Charakter ("Main Titles") wird
in zahlreichen Variationen präsentiert, die von Klavier und Streichern, Klarinette und Oboe,
in einer für Rachel Portman typisch kleinen Besetzung gespielt werden.
Das Klangbild ist familiär, und man findet keine Spur mehr von der Innovativität und Experimentierlust, die
noch die Vorjahresmusik Beloved so ausgezeichnet hat. Die Attribute der Musik wie
"versöhnlich", "sanft" oder "melancholisch" treffen genauso für Rachel Portmans frühere Arbeiten zu.
In dem ausgeprägten Sinn für Melodik steckt aber auch ihre große Stärke, die sie hier erneut in gelungener Weise ausspielt
und die Kritiker sie immer wieder mit dem verstorbenen Georges Delerue vergleichen lassen.
The Cider House Rules ist letztlich sicher keine originelle, aber im Gesamteindruck durchweg schöne und sehr elegante
Komposition, die einen guten Einstieg in die Musik der Komponistin darstellen dürfte.
Trotzdem gilt für Rachel Portman Ähnliches wie für Thomas Newman und
Michael Nyman: Die ausgiebigen Selbstzitate nutzen sich nicht nur merklich
ab, sondern drohen auch ein wenig langweilig zu werden. Das wäre schade für eine Künstlerin, die mit
der folkloristischen Afrika-Musik Beloved schon einmal ihre Wandlungsfähigkeit bewiesen hat und mit
Sicherheit mehr kann, als ausschließlich Familiendramen und Liebeskomödien zu vertonen. (mr)