Die Kombination Jonathan Demme und Rachel Portman brachte vor einigen Jahren eine
ganz erstaunliche Filmmusik zustande: die Komposition zum Drama
Menschenkind - Beloved (1998),
für die die Komponistin eine für ihr vorangegangenes und nachfolgendes Schaffen besonders
ungewöhnliche Vertonung schuf. Demme hatte sie damals nämlich angewiesen, vollständig auf ihre
typische Orchestrierung mit Streichern und Holzbläsern zu verzichten. Auf diese Art und Weise
entstand eine spröde, aber atmosphärisch ungemein dichte Musik, die mit ihren ethnischen
Gesängen und der perkussiven Folklore besonders authentisch wirkte.
Sechs Jahre später liegt nun die zweite Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Komponistin,
zum Politthriller
The Manchurian Candidate - Remake eines gleichnamigen Polit-Thrillers von
1962 - vor. Diese veranlasste die Britin nun, erstmalig eine reine Spannungsmusik zu schreiben.
Tatsächlich entfernt sich Portman wieder weit von ihren typischen romantischen Streichermelodien.
Doch mehr positives lässt sich leider nicht berichten. Im Gegenteil: The Manchurian Candidate
entpuppt sich als erschreckend einfältig, reiht allein düster-brodelnde Streichermotive
aneinander, die auch von den blassen Klaviereinlagen und den schlichten Rhythmusakzenten aus
dem Schlagwerk nicht aufgewertet werden. Dazu treten generische Einsätze des Saxophons und
das uninspirierte Raunen eines wortlosen Chores. Eingerahmt wird die Portman-Komposition von
zwei poppig-rockigen Stücken, die in Zusammenarbeit mit Wycleaf Jean entstanden:
einmal ohne und einmal mit Gesang. Mehr lässt sich über die Arbeit der Beiden kaum berichten.
Im Fazit handelt es sich um eine herbe Enttäuschung, die mit einem halben Stern in der Bewertungsskala noch gut dasteht.
Glücklicherweise wurde der Portman-Score auf CD um David Amrams Originalmusik zur ersten
Verfilmung des Stoffes von 1962 ergänzt. Der damals 31-jährige komponierte für den von
John Frankenheimer inszenierten Film einen für die Zeit erstaunlich experimentellen Score,
der abwechslungsreich modernen Jazz und Standards der frühen 50er Jahre (aus der Zeit des
Korea-Krieges) mit der Sinfonik eines kleinen Ensembles verknüpft. Das schöne Hauptthema,
das im "Main Title" von der Solotrompete vorgestellt wird, überträgt Amram geschickt in die
jazzigen Passagen, in die er zudem Blues- und Mamboelemente einfließen lässt.
Die Suspense-Stücke erinnern in ihren raffinierten Orchestrierungen mit Klavier, Cembalo,
Saxophon und Perkussion hingegen an die ähnlich modernistischen Musiken eines Alex North oder
Leonard Rosenman aus der Zeit.
Keine Frage, bei der Amram-Vertonung handelt es sich um eine hochinteressante, exzellent
gefertigte Komposition, die in ihrer ansteckenden Experimentierfreude und den reizvollen
Improvisationen viel Spaß macht und daher aufgeschlossenen Hörern besonders zu empfehlen ist.
Im Gegensatz zur Portman-Pleite wäre hier eine Wertung von glatten 4 ½ Sternen angebracht.
Schade nur, dass im Gegensatz zur wohl kompletten (und nicht mehr erhältlichen)
Erstveröffentlichung der Musik von 1997, dieses Mal nur ein rund halbstündiger Ausschnitt
auf Tonträger gepresst wurde. Dennoch: Allein wegen Amrams Vertonung lohnt der Kauf der
CD. (mr)
Varèse Sarabande VSD-6603
Dirigenten (2004): Theodore Sperling, Michael Kosarin, Lucas Richmond
Dirigent (1962): David Amram
61:08 Min.
Filminfo: (1962er Film)
Deutscher Titel: "Botschafter der Angst"
Regie: John Frankenheimer
Darsteller: Frank Sinatra
Filminfo: (2004 Remake)
Deutscher Titel: "Der Manchurian Kandidat"
Regie: Jonathan Demme
Darsteller: Denzel Washington, Meryl Streep
Tracklist:
David Amram's 1962 Score:
- Theme from the Manchurian Candiate (Jazz Version) (5:35)
- Queen of Diamonds (4:12)
- John Birch Lurch (1:51)
- Slightly Manchurian Blues (4:22)
- Summer Affair/Wiggin' Out in Central Park (3:02)
- A Night in the Garden (2:30)
- Theme from the Manchurian Candiate (Main Title) (1:43)
- Mesopotamian Mambo (7:07)
Rachel Portman's 2004 Score:
- Fortunate Son (Instrumental) (1:27)
performed by Wyclef Jean
- Black Helicopters, Secret Laboratories, Mind Drugs... (3:15)
- Sergeant Raymond Shaw (0:55)
- Deep Implant Modification Behavior (6:39)
- "What if This is All a Dream?" (4:29)
- "I am the Enemy, Major Marco" (3:45)
- The Assassin Always Dies (2:29)
- "There are Always Casualties of War" (3:26)
- Fortunate Son (4:13)
performed by Wyclef Jean