Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Anschläge vom 11. September 2001
vom Hollywood-Mainstream-Kino aufgegriffen würden. Mit
United 93
hat Regisseur Paul Greengrass (
The Bourne Identity)
nun erstmalig die Geschichte des vierten Flugzeugs, das schließlich im Bundesstaat
Pennsylvania abgestürzt ist, auf die große Leinwand gebracht.
Einen solchen Stoff, den vielen Menschen noch in schmerzhafter Erinnerung haben,
sensibel und adäquat musikalisch zu begleiten, ist zweifellos keine leichte
Aufgabe. John Powell hat sich bei seiner Vertonung deshalb dafür entschieden,
auf vordergründige Manipulationen zu verzichten. Er geht damit etwaigen
Vorwürfen, das Drama zu melodramatisch oder gefühlsheischend zu begleiten,
aus dem Weg. Stattdessen begegnet dem Hörer ein praktisch völlig funktionaler,
rhythmisch durchdrungener Mix aus Orchestralem und Klangsynthetik. Auch wenn
hier und da unscheinbare Vokalisen (Powells kleiner Sohn Oliver durfte singen),
verfremdete Violinsoli sowie dezente ethnische Einschübe erklingen, ist United 93
vor allem eine überlange Spannungsvertonung ohne markante thematisch-motivische
Struktur. Da pulsieren die Drumbeats wie ein schneller Herzschlag, brodeln Bässe
düster und selbst die kurzatmigen Streichermotive betonen ohne Entwicklung allein
die Fatalität der Ereignisse. Erst in den letzten beiden Stücken wird es
musikalisch interessant: "The End" entwickelt sich zu einer effektvollen Spannungssequenz mit
einem intensiven Crescendo von Streichern, Schlagwerk und elektronischer Rhythmik.
Im ruhigen Schlussstück darf dann noch einmal der Sohnemann in Begleitung
der Streicher singen - ein leises Requiem auf die Opfer der Anschläge.
Beim Hören von Powells United 93 stellen sich unweigerlich zwei Fragen:
Braucht ein solcher Film tatsächlich Musik? Und macht es
Sinn eine derart bildbezogene Arbeit überhaupt auf CD zu pressen? Die Vertonung ist
nämlich so eng mit den Bilder verbunden, dass man von einer wirklich eigenständigen
Komposition kaum sprechen kann. Bei allem Respekt für diese Konzeption, enttäuscht es,
wie wenig sich Powell traut, thematische Akzente zu setzen.
Zwar geht er so Manipulationsvorwürfen aus dem Weg. Doch seine Arbeit ist deshalb
weder Fisch noch Fleisch - eine halbherzige Vertonung, wo es vermutlich überhaupt
keiner Musik bedurft hätte. (mr)
Varèse Sarabande VSD-6740
Dirigent: Gavin Greenaway
43:46 Min.
Filminfo:
Deutscher Titel: "Flug 93"
Regie: Paul Greengrass
Darsteller: Cheyenne Jackson, David Alan Basche
Tracklist:
- Prayers (6:03)
- Pull The Tapes (4:14)
- Take Off (3:07)
- 2nd Plane Crash (2:27)
- Making The Bomb (3:57)
- The Pilots (1:21)
- The Pentagon (1:43)
- Phone Calls (10:49)
- The End (5:50)
- Dedication (3:51)