Niki Reiser ist zur Zeit einer der talentiertesten Komponisten in der deutschen
Filmmusiklandschaft. Den meisten dürfte er durch seine erfolgreiche Musik für Caroline Link's
Jenseits
der Stille (1996) aufgefallen sein. Nun engagierte ihn Rainer Kaufmann für seine
Verfilmung des Ingrid Noll-Bestsellers
Kalt ist der Abendhauch.
Der Film erzählt vor dem
Hintergrund des zweiten Weltkriegs die
Geschichte einer Frau, die sich in den Mann ihrer Schwester verliebt. Die beiden
erleben eine kurze Zeit des Glückes, die aber von einem tragischen Unfall überschattet wird,
der zur langsamen Entfremdung des heimlichen Paares führt. In Teilen ist Kalt ist der Abendhauch
ein beeindruckendes Familienepos. Durch unnötigen schwarzen Humor und alberne, in der Gegenwart
spielende Szenen verliert das Drama allerdings viel von seiner psychologischen Tiefe und Intensität.
Reisers Musik reflektiert die universellen Themen der unerfüllten Liebe und der Vergänglichkeit
des Lebens mit einer melancholischen Musik, die von schönen Gitarrensoli, Harfe und Klavierpassagen geprägt
ist. Reiser beweist dabei viel Sinn für Melodik, eine Seltenheit in der deutschen
Filmmusik. Seine lyrischen Themen strahlen zeitlose Schönheit aus und gefallen durch ihre
sensible Zurückhaltung. Schade nur, daß das Material kaum weiterentwickelt wird und letztlich
an Abwechslung missen läßt. Dies mag aber auch auf den in der zweiten Hälfte
verflachenden Film zurückzuführen sein, in dem die Schwächen der Romanvorlage deutlich zu Trage
treten.
Niki Reiser muß dies bei der Produktion der CD gemerkt haben. So wechselt sich seine Originalmusik
mit altmodischen Swingnummern ab, die von Andrej Hermlin komponiert und vom Swing Dance Orchester
gespielt werden. Leider reißen sie den Hörer immer wieder aus der melancholischen Stimmung der
Komposition heraus.
Trotz dieser Schwächen ist Kalt ist der Abendhauch eine der erfreulichen deutschen Filmmusiken der
letzten Jahre und auf jedem Falle eine Empfehlung wert. (mr)
BMG 74321 78684 2
Münchener Filmorchester
Dirigent: Rainer Bartesch
21, 61:01 Min.
Regie: Rainer Kaufmann
Darsteller: Fritzi Haberlandt, August Diehl