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Colin Farrell als Alexander |
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So kann es gehen: Vor einigen Wochen galt Oliver Stones epische Filmbiographie über Alexander den
Großen (356 bis 323 v. C.) noch als heißgehandelter Kandidat für die Oscarverleihung im nächsten Frühjahr. Doch
dann kam alles anders: Es hagelte zahlreiche Verrisse und das 150 Millionen US-Dollar teure Spektakel
floppte an den Kinokassen. Es spielte bislang gerade einmal 29 Millionen ein. Das negative Presseecho eilt dem Dreistundenfilm nun
auch vor dem deutschen Kinostart (einen Tag vor Heiligabend) voraus. Von Preisen und Ehrungen redet mittlerweile niemand mehr. Tatsächlich
spricht vieles dafür, dass sich
Alexander zum cineastischen Fiasko des Jahres entwickelt.
Für die Vertonung wandte sich Oliver Stone an den Griechen Vangelis (Blade Runner,
Chariots of Fire), dessen Abstammung ihn vermutlich für die Arbeit prädestiniert erscheinen ließ.
Trotz einer ausgiebigen Vorbereitungszeit folgt der Komponist dem bewährten
Muster seiner Abenteuervertonung zu Ridley Scotts 1492 - Conquest of Paradise. Abgesehen einiger
atmosphärischer Folklorestücke begleitet er die Feldzüge seines berühmten Vorfahren aus Makedonien mit dem
charakteristischen Sound, der seine Arbeit nun schon seit drei Dekaden kennzeichnet. Dieser wird in Alexander
zu gleichen Anteilen von Synthesizern und Orchester erzeugt. In einigen Stücken treten Chor, Vokalisen und ethnische
Gesänge zur Besetzung hinzu. Doch auch sie können den seltsam künstlich wirkenden Klangwelten kein Leben einhauchen.
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Colin Farrell als Alexander |
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Das Hauptthema ("Titans") erweist sich im heroischen Pathos als typische Vangelis-Hymne, der allerdings
die Ohrwurmqualitäten von "Conquest of Paradise" aus Ridley Scotts Columbus-Film fehlen. Sie zählt daher zu den
weniger inspirierten melodischen Einfällen des Komponisten. Das Liebesthema ist ähnlich blass geraten und wird in
"Roxanes Veil" besonders süßlich von Vanessa Mae auf der elektrischen Violine dargeboten. In den Actionpassagen
("Bagoas Dance", "Preparation") bedient sich Vangelis einfacher Ostinati à là Mythodea (einer Sinfonie, die vor einigen
Jahren für die NASA entstand) und schlichter "Dies Irae"-Gesänge. Selbst in den ethnisch geprägten Stücken
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Angelina Jolie als Olympia |
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(z.B.: "One Morning at Pella") mit alten Instrumenten wie Duduk, Lauten und Leiern, lässt sich kaum
ein geographischer Bezug zu den verschiedenen Schauplätzen herstellen, von der Epoche ganz zu schweigen.
Tatsächlich stehen die musikalischen Welten von
1492 und
Alexander überraschend dicht beieinander,
obwohl beide Filme in der Geschichtsschreibung rund 1800 Jahre trennen.
Doch selbst wenn man das nahezu völlig fehlende historisierende Element außer Acht lässt, fällt die einfache, mitunter banale, kompositorische Ausführung auf. Die quasi nicht vorhandene Variation der Themen, die schlichten
Rhythmusschemata und die rein atmosphärischen Klangkollagen ergeben unterm Strich eine blasse Komposition, bei der sich
trotz netter Momente schnell gepflegte Langeweile einstellt. Die von Vangelis selber kompilierte und zum Teil neu
arrangierte CD-Fassung dürfte deshalb wohl nur eingefleischte Fans richtig zufrieden stellen.
(mr - 16.12.2004)