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Die beiden Tiger |
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Im neuen Film
Zwei Brüder - Two Brothers knüpft Regisseur Jean-Jacques-Annaud (
Der Name der Rose)
an seinen Kinoerfolg
Der Bär von 1988 an. Er erzählt vom Aufwachsen zweier
Tiger im Asien der 20er Jahre, von ihrer Gefangenschaft in einem Zirkus und schließlich der
Flucht zurück in die Wildnis.
Stephen Warbeck hat für das Tierabenteuer eine vielfältige, lyrische Vertonung geschaffen,
die recht geschickt westliche Sinfonik mit fernöstlicher Folklore verbindet. Die exotischen
Schauplätze erlauben ihm dabei eine abwechslungsreichere musikalische Gestaltung als noch zuletzt
in seinen meist romantisch geprägten Kompositionen wie zum Beispiel der blassen
Italienischen Hochzeit. Dagegen stehen in der Vertonung zu Two Brothers
ethnisches Kolorit, packende Actionstücke, Zirkusmusik und breit ausschwingende
Streicherpassagen nebeneinander. Besonders reizvoll sind die ethnischen Anteile gearbeitet,
in der Instrumente wie Erhu (chinesische Violine), Sheng (chinesische Mundorgel), Pipa (ein
Zither-ähnliches Instrument) und asiatische Flöten neben einer umfangreichen Perkussionsektion
zum Einsatz kommen.
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Jean-Jacques-Annaud |
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Besondere Reize entfaltet die Musik durch ihre zahlreichen thematischen Ideen: Zentraler
Gedanke ist das verspielt-fröhliche Hauptthema, welches in "Two Brothers" von den Flöten vorgestellt
und in Stücken wie "The Search for Kumal" von Erhu und Solovioline aufgegriffen wird.
Hinzu kommt ein majestätische Streicherthema, welches die CD eröffnet und - unterlegt von der
Perkussion - vermutlich für Natur und Wildnis steht. Ein elegant-düsterer Tango ("The Raft")
begleitet die Tiger in die Zirkuswelt. Dazu treten zahlreiche Nebenthemen und -motive, wie etwa
die Bläserfanfare für die Jagdsequenz in "Chasing the Truck" oder das melancholische "Sehnsuchts"-Motiv, das in
"Goodnight Story" von Querflöte und Gitarre eingeführt wird und in "Sangha the Outcast"
majestätisch in den Streichern (begleitet von Bläsern und Harfe) erklingt. Etwas deplaziert
wirkt hingegen das poppige "To Freedom", in dem Jean-Jacques Annaud höchstpersönlich das
Hauptthema pfeifend zum Besten gibt. Für ähnliche Irritationen sorgt ein asiatisches
Arrangement des Evergreens "Can't help falling in love", das als Anhängsel des letzten
CD-Stücks einen seltsamen Anachronismus darstellt. Doch glücklicherweise bleibt es bei diesen
beiden musikalischen Ausfällen.
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Die beiden Tiger |
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Two Brothers präsentiert sich ansonsten als bunte, farbenprächtig orchestrierte
Vertonung, die mit ihren schwelgerischen Melodien und der reizvollen Integration der
asiatischen Folklore besticht. Die thematische Verarbeitung bleibt zwar weitgehend einfach,
besteht oftmals allein aus Variation von Tempi und Instrumentierung. Doch diese Schwächen
werden durch die gebotene Vielfalt überzeugend ausgeglichen. Somit zählt
Two Brothers
zu den klangschönsten Alben des Jahres - eine CD, der erstaunlicherweise und wohl zu Unrecht
bislang nur wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde. (mr)