INHALT

Rezension

"Das Phantom im Kino"

Andrew Lloyd Webber:

Das Phantom der Oper (2004)

(Deutsche Fassung)

Christin und Phantom
Christin und Phantom
Sony
Das Phantom der Oper ist wieder nah und da. Dieses Mal auf der Kinoleinwand. Auftragsregisseur Joel Schumacher bezieht sich in seiner Adaption allerdings nicht auf Gaston Leroux’ Roman von 1911, sondern schlichtweg auf die Dramaturgie des populären Lloyd Webber-Musicals, das er abgefilmt hat. Damit setzt er voll auf den Wiedererkennungswert der überaus populären Bühnenshow, die allein in Deutschland mehr als 8 Millionen Menschen sahen. Dieses kommerzielle Kalkül könnte aufgehen, denn das Musical genießt auch heute noch ungebrochene Beliebtheit. Dem kritischen Blick hält es jedoch auch weiterhin weder auf der Bühne noch im Kino stand. Hinter den effektvoll in Szene gesetzten Oberflächenreizen (der herunterstürzende Kronleuchter, das romantische Kerzenmeer) inklusive verschwenderischer Ausstattung verbirgt sich nämlich wenig mehr als erschreckend einfältiger Trivialkitsch mit Nähe zum Groschenheftroman.

Minnie Driver
Minnie Driver
Sony
Das Merchandising bringt die Musik zum neuen Film gleich in drei Versionen auf den Markt: in der deutschen Fassung und zweimal (als Einzel- und Doppel-CD) im englischsprachigen US-Original, das allerdings wegen durchwachsener Gesangsqualitäten der Darsteller bereits heftige Kritikerschelte abbekam. Andrew Lloyd-Webber wurde beauftragt seine Komposition für den Film neu zu arrangieren. Sieht man einmal davon ab, dass er hier und da einige Takte hinzufügte, bleibt seine Neuauflage sehr dicht am Original und damit letztlich auch frei von Überraschungen. Abgesehen vom neuen Song "Learn to be lonely" (gesungen von Minnie Driver) ist der Soundtrack im Grunde genommen wenig mehr als eine Neueinspielung der altbekannten Musical-Musik. An den von Popeinflüssen und Synthesizereffekten durchdrungenen Musicalnummern und der großbesetzten Sinfonik hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur wenig geändert.

Christin und Phantom
Christin und Phantom
Sony
Deshalb trifft die Kritik der Filmmusik auch gleichermaßen das Musical-Original. Lloyd-Webber hat zwar mit dem Phantom-Motiv und "Musik der Nacht" zwei besonders eingängige, Musical-Themen geschrieben, die als Ohrwürmer unlängst in die Pop-Kultur eingegangen sind. Doch der einfallslose Variationssatz und das ständige Wiederkehren dieser Melodien verleiden das Hörvergnügen. Der ausufernde Bombast der sinfonischen Arrangements erdrückt dazu in seinem maßlosen Pathos jede Subtilität im Keim. Überhaupt handelt es sich um eine einfach gestrickte Musik, die mit unbestreitbar hoher Professionalität aber geringer künstlerischer Ambition den Musikgeschmack einer breiten Masse auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringt.

Immerhin kann sich die hochwertig produzierte Einspielung sehen lassen: Das Ensemble der deutschen Synchronfassung überzeugt mit souveränen Darbietungen, das Orchester ist prima aufgelegt und die CD besticht mit einer exzellenten Klangtechnik. Gute Noten verdient auch das edel gestaltete Booklet mit dem kompletten Abdruck der Texte. Ob das reicht, um viele Musical- und Filmfans zum Neukauf einer Musik zu bewegen, die sie bereits in ähnlicher Form besitzen, erscheint aber zumindest fraglich. (mr - 10.12.2004)

Sony Classical 93528

Filminfo:
Deutscher Titel: "Das Phantom der Oper"
Regie: Joel Schumacher
Darsteller: Minnie Driver

Tracklist:

  1. Ouvertüre (2:43)
  2. Denk an mich (3:40)
  3. Engel der Muse (2:42)
  4. Der Spiegel (Engel der Muse) (1:59)
  5. Das Phantom der Oper (3:34)
  6. Die Musik der Nacht (5:38)
  7. Bonus Track: Die Erinnerung kommt zurück (3:21)
  8. Primadonna (3:28)
  9. Bonus Track: Warum so weit hinauf (3:04)
  10. Mehr will ich nicht von dir (4:33)
  11. Mehr will ich nicht von dir (Reprise) (2:15)
  12. Maskenball (5:30)
  13. Könntest du doch wieder bei mir sein (3:42)
  14. Nun gibt es kein zurück (8:00)
  15. Spürt diesen Mörder auf (12:45)
  16. Dein Weg ist einsam (2:26)
  17. Learn to be Lonely (Minnie Driver) (2:26)