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Christin und Phantom |
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Das Phantom der Oper ist wieder nah und da. Dieses Mal auf der Kinoleinwand.
Auftragsregisseur Joel Schumacher bezieht sich in seiner Adaption allerdings nicht auf Gaston
Leroux’ Roman von 1911, sondern schlichtweg auf die Dramaturgie des populären Lloyd Webber-Musicals,
das er abgefilmt hat. Damit setzt er voll auf den Wiedererkennungswert der überaus populären
Bühnenshow, die allein in Deutschland mehr als 8 Millionen Menschen sahen. Dieses kommerzielle
Kalkül könnte aufgehen, denn das Musical genießt auch heute noch ungebrochene Beliebtheit.
Dem kritischen Blick hält es jedoch auch weiterhin weder auf der Bühne noch im Kino stand.
Hinter den effektvoll in Szene gesetzten Oberflächenreizen
(der herunterstürzende Kronleuchter, das romantische Kerzenmeer) inklusive verschwenderischer
Ausstattung verbirgt sich nämlich wenig mehr als erschreckend einfältiger Trivialkitsch
mit Nähe zum Groschenheftroman.
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Minnie Driver |
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Das Merchandising bringt die Musik zum neuen Film gleich in drei Versionen auf den Markt:
in der deutschen Fassung und zweimal (als Einzel-
und Doppel-CD) im englischsprachigen US-Original, das allerdings wegen durchwachsener
Gesangsqualitäten der Darsteller bereits heftige Kritikerschelte abbekam. Andrew Lloyd-Webber wurde beauftragt seine Komposition für den Film neu
zu arrangieren. Sieht man einmal davon ab, dass er hier und da einige Takte hinzufügte, bleibt
seine Neuauflage sehr dicht am Original und damit letztlich auch frei von Überraschungen.
Abgesehen vom neuen Song "Learn to be lonely" (gesungen von Minnie Driver) ist der Soundtrack im Grunde genommen wenig mehr als eine Neueinspielung der altbekannten
Musical-Musik. An den von Popeinflüssen und Synthesizereffekten durchdrungenen Musicalnummern
und der großbesetzten Sinfonik hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur wenig geändert.
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Christin und Phantom |
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Deshalb trifft die Kritik der Filmmusik auch gleichermaßen das Musical-Original.
Lloyd-Webber hat zwar mit dem Phantom-Motiv und "Musik der Nacht" zwei besonders eingängige,
Musical-Themen geschrieben, die als Ohrwürmer unlängst in die Pop-Kultur eingegangen sind.
Doch der einfallslose Variationssatz und das ständige Wiederkehren dieser Melodien verleiden
das Hörvergnügen. Der ausufernde Bombast der sinfonischen Arrangements erdrückt dazu in seinem maßlosen
Pathos jede Subtilität im Keim. Überhaupt handelt es sich um eine einfach gestrickte Musik, die
mit unbestreitbar hoher Professionalität aber geringer künstlerischer Ambition den Musikgeschmack einer breiten Masse auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringt.
Immerhin kann sich die hochwertig produzierte Einspielung sehen lassen: Das Ensemble der
deutschen Synchronfassung überzeugt mit souveränen Darbietungen, das Orchester ist prima
aufgelegt und die CD besticht mit einer exzellenten Klangtechnik. Gute Noten verdient
auch das edel gestaltete Booklet mit dem kompletten Abdruck der Texte. Ob das reicht,
um viele Musical- und Filmfans zum Neukauf einer Musik zu bewegen, die sie bereits in
ähnlicher Form besitzen, erscheint aber zumindest fraglich. (mr - 10.12.2004)