zum Film:
Harry Potter-Mania ohne Ende. Nach dem Erscheinen des fünften Romans kommt nun die
Verfilmung des dritten Buches
Der Gefangene von Askaban in die Kinos. Mit an Bord ist
ein neuer Regisseur: der Mexikaner Alfonso Cuaron, der zuletzt das Roadmovie
Y Tu Mama Tambien
auf die Leinwand brachte. Er übernimmt den Job von Chris Columbus, der beim dritten Abenteuer
nur noch als Produzent fungierte. Man merkt dem neuen Film den Wechsel im Regiestuhl an.
Bereits die Bildsprache ist eine andere. Die Zauberschule Hogwharts ist kein märchenhaftes
Disney-Schloss mehr, sondern ein wildromantischer Ort, der bei weitem nicht mehr so vertraut
erscheint, wie man ihn noch aus den ersten beiden Filmen kannte. Und auch das Quidditch-Match
artet dieses Mal im tosenden Regen in eine wahrhaft düstere Schlammschlacht aus.
Diesen erwachseneren Harry Potter-Film zu sehen, bereitet doch einigen Spaß.
Die Zeitreise der Protagonisten ist (den logischen Schwächen - siehe unten - zum Trotz)
besonders liebevoll und rasant umgesetzt. Und da Cuaron seinen Figuren deutlich mehr
Schattierungen und Nuancen gestattet als es noch Columbus tat, weicht der mitunter keimlose
Oberflächenglanz der ersten beiden Filme einer merklich vielschichtigeren und damit
spannenderen Erzählung.
Natürlich bleibt Harry Potter immer noch Harry Potter und so ist auch unter der
Regie von Cuaron letztlich (im Sinne des Buches) eher ein unterhaltsam-harmloses Abenteuer denn
wirklich großes Kino entstanden. Die eigentlichen Schwächen des liebevoll ausgestatteten Films
sind dann auch nicht durch die Inszenierung sondern durch die Vorlage bedingt. Da ist zum einen
das grundsätzliche Problem, welches sich aus jeder Zeitreise ergibt: Wenn die Helden einmal
in die Vergangenheit können, warum machen sie dann nicht das geschehene Unheil - etwa den Tod
der Eltern Harry Potters - rückgängig? Der zweite Schwachpunkt ist ein konzeptueller:
Die epische Breite, in der J.K. Rowling ihre Saga ausführt, bedarf immer neuer Ideen.
Nur sind diese alles andere als innovativ. Die begabte Autorin plündert mehr oder weniger
inspiriert im allgemeinen Fundus der Sagen- und Mythengestalten. Dieses Mal hat zum Beispiel
ein Werwolf seinen Auftritt. Was man am Anfang der Geschichte noch hinnahm, gleicht in der
Beliebigkeit, mit der Rowling diese Fabelwesen einsetzt, inzwischen manchmal einer Nummernrevue der
Querverweise in die Fantasy- und Märchengeschichte. Doch diese Mankos sind natürlich keine Schwächen
der Verfilmung, sondern bereits in der Vorlage zu finden. Insofern bleibt es dabei, dass Cuaron
den bislang ambitioniertesten und vermutlich besten Harry Potter auf die Leinwand gebracht hat.
zur Musik:
Fortsetzungen bieten ihren jeweiligen Komponisten meist geringe kreative Entfaltungsmöglichkeiten -
die Themen und die stilistische Grundrichtung sind vorgegeben und im Sinne von Einheitlichkeit und Kohärenz
gibt es nur wenig Spielraum für Neuerungen. Als John Williams 2002
die erste Harry Potter-Fortsetzung Die Kammer des Schreckens vertonte, bot er
zwar eine rundum gelungene Neuauflage seines ersten Scores in der Reihe, setzte sich
dabei stilistisch nicht sonderlich vom Original ab. Insofern konnte man im Vorfeld der dritten Folge durchaus skeptisch sein,
ob die neue Musik aus der gleichen Hand wirklich kompositorisch interessant werden würde.
Es darf jedoch Entwarnung gegeben werden: Williams dürfte mit der Musik zu Harry Potter und der Gefangene von Askaban
selbst eingefleischte Fans überraschen. Mehr noch: Freunde des Zauberlehrlings, die auf die Musik im Film achten oder sie von CD hören,
werden nachhaltig irritiert sein, wie wenig er der konzeptuellen Formel der ersten beiden Vertonungen folgt und wie
selten er auf die etablierte, leitmotivisch angelegte Themenbasis zurückgreift. Natürlich gibt es analog zu
Star Wars und den Bond-Filmen auch hier wieder die beliebte Harry Potter-Titelmelodie, das Hedwig-Thema,
zu hören. Doch dabei bleibt es über weite Strecken. Hier und da taucht es in der motivischen Verarbeitung wieder auf, aber es sind
vor allem die neuen Ideen und Elemente, die der Musik ihren Stempel aufdrücken: Das beginnt beim Rossini-haften
Walzer in "Aunt Marge’s Waltz" und setzt sich über die jazzigen an die "Cavatina Band" aus Star Wars
erinnernden Passagen bis hin zu den düsteren Action-Stücken der zweiten Hälfte fort.
Die Tchaikovsky-/Prokofiev-nahe
Spätromantik ist zwar noch präsent, aber keinesfalls so ausgeprägt wie noch in den ersten beiden Potter-Musiken.
Stattdessen zeigt Williams eine von ihm ungewohnte Seite, indem er in einigen Stücken alte Instrumente einsetzt und
mit ihnen ein reizvolles mittelalterliches Flair erzeugt. Gewissermaßen begegnet Williams hiermit dem spröden
Inszenierungsstil Cuarons, der z.B. den Festsaal auf Hogwarts tatsächlich wie ein ritterliches Bankett aussehen
lässt. So erklingt auch der Begrüßungschoral für die Schüler, das mitreißende "Double Trouble", in einer mittelalterlichen Instrumentierung
und setzt sich damit erfreulich von vergleichbaren Stücken aus Hook ab. Das Thema dieses auf einem Text von
Shakespeare basierenden Liedes wird von Williams durch die gesamte Partitur gekonnt variiert. Als besonders delikat
sei hier die Verknüpfung mit dem Hedwig-Thema in "Secrets of the Castle" hervorgehoben, in der das Spiel von
von Harfe und Celesta attraktiv gegenübersteht.
Dazu tritt ein lyrisches Thema für die Begegnung Harrys mit dem
ruhigen wie unscheinbaren Professor Lupin ("A Window to the Past") und eine episch ausschwingende Melodie für den "Hippogreif Seidenschnabel".
Die zweite Hälfte der Komposition fällt dann merklich düsterer aus. Sie ist einer A.I. (2001)
und Minority Report (2002) nicht unähnlichen modernistischen
Tonsprache verpflichtet. Einen schönen, allerdings auch etwas redundanten Abschluss der CD bietet die
Musik des Abspanns, "Mischief Managed", die nach knapp Minuten eine redundante Aneinanderreihung der Höhepunkte
der CD bietet - und das insgesamt rund 12 Minuten lang.
John Williams hat sich mit dem Gefangenen von Askaban selbst übertroffen und eine der schönsten
Filmkompositionen der letzten Jahre hingelegt. Die Fülle an neuen Themen, die frische Herangehensweise an einen
altbekannten Stoff und die raffinierte motivische Verzahnung machen die dritte Musik für den Zauberlehrling nicht nur
zu einem begeisternden Hörspaß, sondern auch zu exzellenter Kinosinfonik. (mr)
Warner 7567 83711 5
Dirigent: John Williams
73:27 Min.
Filminfo:
Deutscher Titel: "Harry Potter und der Gefangene von Askaban"
Regie: Alfonso Cuaron
Darsteller: Daniel Radcliffe, Emma Thompson, Alan Rickman
Tracklist:
- Lumos! (Hedwig's Theme) (1:38)
- Aunt Marge's Waltz (2:15)
- The Knight Bus (2:52)
- Apparition on the Train (2:15)
- Double Trouble (1:37)
- Buckbeak's Flight (2:08)
- A Window to the Past (3:54)
- The Whomping Willow and the Snowball Fight (2:22)
- Secrets of the Castle (2:32)
- The Portrait Gallery (2:05)
- Hagrid the Professor (1:59)
- Monster Books and Boggarts! (2:26)
- Quidditch, Third Year (3:47)
- Lupin's Transformation / Chasing Scabbers (3:01)
- The Patronus Light (1:12)
- The Werewolf Scene (4:25)
- Saving Buckbeak (6:39)
- Forward to the Past (2:33)
- The Dementors Converge (3:12)
- Finale (3:24)
- Mischief Managed! (12:10)