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Rezension

"Jenseits von Hollywood"

Gabriel Yared:

Le Hérisson (2010) ***
Amelia (2009) ***½

Le Hérisson:

Dass ein Oscargewinn die Karriere nicht zwangsläufig vorantreibt, musste in Hollywood in den letzten Dekaden so mancher Filmkomponist ernüchtert feststellen. So auch Gabriel Yared, der zwar mit Der Englische Patient 1996 in Los Angeles reüssierte, aber nach dem Eklat um die abgelehnte Musik zum Historienspektakel Troja von Wolfgang Petersen nicht mehr an diesen Erfolg anknüpfen konnte. Mittlerweile schreibt der gebürtige Libanese vorwiegend (aber nicht ausschließlich) für kleinere Filme, die in den meisten Fällen aus Europa stammen, wie etwa L'avion - Das Zauberflugzeug (2005) oder nun Die Eleganz der Madame Michel - Le Hérisson.Dem Filmdrama um eine Concierge-Dame in einem Pariser Wohnhaus, die sich in einen ihrer Bewohner verliebt, hat Yared eine feingliedrige Komposition verpasst, die mit ihren einfühlsamen Klaviermelodien und melancholischen Cellosoli besticht, zugleich aber immer wieder auch Klangkollagen einsetzt, die doch sehr an Thomas Newman im American Beauty-Stil erinnern. Nimmt man noch das ein oder andere jazzig geprägte Stück hinzu, ergibt sich eine gewisse Dreiteilung der Musik, die in ihren Kontrasten zwar durchaus funktioniert, der Musik aber zugleich wenig Raum für motivische oder narrative Entwicklung gibt. Dennoch wirkt die Komposition zu Le Hérisson gegenüber mancher spröde-elegischen Schwergewicht aus Yareds Vergangenheit (zum Beispiel die Vertonung zu Sylvia) geradezu entspannt und angenehm unprätentiös. Und das ist am Ende eine Qualität, die durchaus für die kurzweilige, abwechslungsreiche Vertonung einnimmt.

Amelia:

Bei der gefloppten Filmbiographie Amelia , um die berühmte Flugpionierin und Frauenrechtlerin Amelia Earhart, nähert sich Yared in der elegischen Sinfonik gegenüber Le Hérisson wieder etwas stärker seiner oscar-prämierten Arbeit zum Englischen Patienten an. Der Tonfall ist hier etwas optimistischer gehalten. Als offenbares Markenzeichen der indisch-stämmigen Regisseurin Mira Nair und vermutlich auch auf ihren Wunsch hin dürfen Einsprengsel ethnischer Folklore (indische Flöten, Arghoul - ein arabisches Blasinstrument) erklingen.Wenngleich Yared die Flugszenen mit erhabenen wirkenden Streicherharmonien und reizvollen Einwürfen der Blechbläser begleitet und gelegentlich auch sphärische Klangflächen nicht scheut, ist seine Vertonung für den Filmstoff vergleichsweise zurückhaltend geraten. Sie scheut heroische Phrasen oder laute Actionpassagen und konzentriert sich stattdessen mit ruhigem Klavierspiel und elegisch aufschwingenden Melodiebögen voll und ganz auf die Entwicklung der Hauptfigur. Dies führt bis hin zu wenigen düsteren dramatischen Passagen (z.B.für die Absturzszene "Hawai Crash"), die aber nie lange vorhalten. Im besten Sinne erweist sich Amelia deshalb als schwelgerische, altmodische Filmvertonung, die sich in ihren thematischen Ideen mit nostalgischer Wehmut auf vergangene Hollywood-Traditionen zu berufen scheint. Durchaus möglich, dass diese Art der Filmmusik einem heutigen Kinopublikum etwas fremd geworden ist und damit den Misserfolg der Produktion gar befördert hat. Auf CD erwächst dieser Umstand der Musik aber zum Vorteil, zeigt sich, dass es auch heute noch Vertonungen gibt, die abseits der gegenwärtigen Hollywood-Standards stehen. Und dass macht Yareds Amelia nicht zuletzt äußerst sympathisch, wenngleich hier im Werk des Komponisten abermals kein Neuland beschritten wird und die Vertonung bei allen einschmeichelnden Melodien mitunter auch ein klein wenig statisch wirkt. (mr)

Le Hèrisson:
Colosseum CST
Dirigent: ?
41:23 Min.
Tracklist: Soundtrack Collector

Filminfo:
Regie: Mona Achache
Darsteller: Togo Igawa, Josiane Balasko

Amelia:
Varèse Sarabande VSD-6994
Dirigent: Jeff Atmajian
52:50 Min.
Tracklist: Soundtrack Collector

Filminfo:
Regie: Mira Nair
Darsteller: Hilary Swank, Richard Gere, Ewan McGregor