Das Genre des Monumentalfilms war jahrzehntelang nahezu vergessen bis es vom
Alien-Regisseur Ridley Scott in
Gladiator mit großem kommerziellen Erfolg
wiederbelebt wurde. Das im Stil des Actionkino der 90er Jahre inszenierte Epos rief
bei den Kritikern allerdings gespaltene Reaktionen hervor.
Die zum Teil harsche Kritik bemängelte nicht unbegründet eine geringe
Historientreue und effekthascherische wie unnötig brutale
Kampfszenen, die nur zu offensichtlich den Voyeurismus des Zuschauers bedienen.
Die übertriebene Gewaltdarstellung vermittelt zudem nach
Einschätzung der Historiker ein völlig falsches Bild der Gladiatorenkämpfe im alten Rom.
Es war zum Beispiel üblich, daß Gladiatoren über mehrere Jahre hinweg für die Kämpfe angestellt
waren und keineswegs wie im Film gezeigt, bei täglichen Schlachten verheizt wurden.
Jede Filmmusik für einen Sandalenfilm muß sich zweifellos an den von Miklós Rózsa und
Alex North geschaffenen Klassikern der Kinosinfonik wie Ben Hur, Quo Vadis
oder Spartacus messen lassen.
Keine leichte Aufgabe für Hans Zimmer und seine Co-Komponistin Lisa Gerrard von der Popgruppe
Dead can Dance. Beide sind dem direkten Vergleich konsequent aus dem Weg gegangen.
Deshalb imitiert ihre Komposition auch nicht die großen Vorbilder, sondern schlägt einen
völlig anderen Weg ein.
Da ein Großteil des Filmes in Marokko spielt, wählte Zimmer einen von arabischer Folklore
beeinflußten Ansatz. Lisa Gerrard schuf eine Reihe orientalisch klingender Vokalstücke, die bisweilen entfernt
an Loreena McKennitt erinnern. Sie setzt dabei ungewöhnliche
Instrumente ein. So finden etwa ein Duduk, ein Blasinstrument aus dem Mittleren Osten, und ein
Zither-ähnliches Instrument (welches Lisa Gerrard in einem Supermarkt in Hong Kong erwarb)
Verwendung. Dadurch gelingt ein schöner ethnischer Lokalkolorit. Die Schlachtenszenen werden einmal mehr von
Zimmer-typischem Klangbombast untermalt. Synthesizer werden hier nur dezent eingesetzt,
aber die elektronische Herkunft des Stückes ist unverkennbar.
Damit trägt die Musik dem modernen Inszenierungsstil des Filmes deutlich Rechnung.
Es ist gewöhnungsbedürftig, in einem Sandalenfilm elektronische Musik zu hören.
Im Film weckt dieser Ansatz zum Teil falsche Assoziationen und wirkt etwas deplaziert.
Für die tragischen Momente dominiert allerdings das klassische Orchester. Deutliche
Anleihen macht Zimmer dabei aber an Gustav Holst's Planeten ("Mars") und Wagner's
Götterdämmerung (in "The Might of Rome"). Letzteres Zitat war eine durchaus bewußte Wahl,
wie Zimmer in Interviews freimütig zugab.
Im Film wirkt die Gladiator-Musik insgesamt recht inhomogen.
Es fehlt dem Komponistenteam die einheitliche musikalische Sprache, um das alte
Rom überzeugend auferstehen zu lassen.
Auf CD hingegen funktioniert die Musik viel besser und bietet ein unterhaltsames,
in den Anteilen Lisa Gerrards sogar sehr klangschönes Höralbum.
Für Hans Zimmer war Gladiator ein voller Erfolg. Die CD schaffte den Einstieg
in die deutschen CD-Charts (in der 20er Rängen) und genießt gerade unter jüngeren
Filmmusikfans eine enorme Popularität. Von Größen wie Rózsa und North sind Hans Zimmer
und Lisa Gerrard allerdings einige Klassen entfernt. (mr)
Der große kommerzielle Erfolg einer Filmmusik hat Plattenfirmen in den vergangenen Jahren
immer wieder dazu bewegt, eine zweite Soundtrack-CD zu produzieren. So
erhielten
Romeo & Juliet (1996),
Braveheart (1995) und
Titanic (1997) eine weitere, nicht immer unbedingt notwendige
Veröffentlichung.
Mit More Music from Gladiator gibt es nun
auch eine zweite Ausgabe zu Ridley Scotts oscar-gekrönten Sandalenfilm. Diese bietet einen
interessanten Einblick in den Entstehungsprozeß der Komposition von Lisa Gerrard & Hans Zimmer.
Enthalten sind nämlich ausschließlich Outtakes, Demos und alternative Versionen. Sie zeigen das Duo in
ihren Versuchen, die richtige Stimmung und Akzentuierung für bestimmte Szenen des Filmes zu finden. Zum Beispiel war eine frühe
Version von "Now we're free" im Ton zu optimistisch und zu sehr von afrikanischer Folklore beeinflußt.
"Duduk from the North", in dem das titelgebende Duduk schöne Soli hat, wurde hingegen gar nicht erst im
fertigen Film verwendet. Ein näheren Blick auf den Weg von der ersten Version
bis zur fertigen Aufnahme erlaubt auch "The Gladiator Waltz", das hier als reine Synthesizer-Demo
vorliegt.
Ein Schwerpunkt der More Music from Gladiator-CD liegt auf dem marokkanischen Lokalkolorit.
In vielen kurzen, aber stimmungsvollen Stücken, gibt es Folkloristisches von Lisa Gerrard zu
hören. Höhepunkte (und etwas länger) in dieser Hinsicht sind "Duduk from the North" und
"Rome is the Light", beides schmerzlich vermißte Stücke auf dem Original-Soundtrack.
Im ausführlichem Booklet der CD erklärt und kommentiert Hans Zimmer die
Entstehungsgeschichte der verschiedenen Stücke und gibt die ein oder andere interessante
Hintergrundinformation preis.
Wie schon beim Hannibal-Soundtrack und den oben genannten zweiten Filmmusik-CD's
kommt auch diese Kompilation nicht ohne die verhassten Dialoge aus. Obwohl sie nicht so störend
wie bei der Schweigen der Lämmer-Fortsetzung sind, bleiben sie letztlich auch hier
vollkommen überflüssig.
Insgesamt ist das Soundtrack-Sequel hauptsächlich Gladiator-Fans zu empfehlen. Für alle
anderen dürfte die erste CD vermutlich vollkommen ausreichen.
More Music from Gladiator bietet eine nette Ergänzung zum originalen Soundtrack - nicht mehr, aber
auch nicht weniger. (mr)