Die langersehnte Forsetzung der Martial Arts-Science Fiction
Die Matrix (1999)
ist da. Doch leider war die Reaktion bei Kritikern und Publikum nur verhalten. Offenbar
konnten die Wachovsky-Brüder nicht an die Qualität
ihres beeindruckenden Erstlings anknüpfen. Kaum eine echte Überraschung,
denn der Grund liegt vermutlich in der Natur der
Materie. Der Spannungsbogen des ersten Films mit der zentralen
Frage, was die Matrix ist, fehlt zwangsläufig im Sequel.
Der Zuschauer kennt die handelnden Figuren und die Gesetze der
Welt, in der diese sich bewegen. Damit entfällt das Staunen um
das Mysteriöse der apokalyptischen Zukunftsvision und zurück bleibt allein
ein aufwändiges, aber letztlich altbekanntes Effektkino. So rührt
die Enttäuschung vieler Zuschauer vermutlich eben daher, dass
ihnen aufgegangen ist, wie banal und wenig tiefgründig das
Gedankenbilde der Wachovsky-Brüder im Grunde ist. Mit dem Beantworten
offener Fragen verflüchtet sich der Reiz des Unbekannten. Und deshalb
verfehlt
Matrix Reloaded als "nur" gut gemachtes Popcorn-Movie
die hochgesteckten Erwartungen vieler Kinogänger.
Die Konzeption des zugehörigen Soundtrack-Albums ist ungewöhnlich. Die Song- und
Score-CD's des ersten Films waren überaus erfolgreich. So erfolgreich,
dass sich die Produzenten für die Fortsetzung überlegt haben, beide zu
einem Doppel-Album zusammenzufassen. Nach der instrumentalen Einleitung von Linkin Park
("Session") begegnen dem Hörer auf der ersten CD technolastige bis rockige New-Metal-Songs
von Marilyn Manson, P.O.D., den Deftones
Rage against the Machine und Rob Dougan neben anderen.
Die Songs haben dabei eine doppelte Funktion: Einerseits sind sie hippe
Webeträger für Film und Soundtrack-CD, andererseits stehen sie der
düster-kühlen Welt der Matrix recht gut zu Gesicht. Ob man sich
das auch abseits der Bilder anhören mag, hängt wohl stark davon ab, wie sehr
man der teils recht harten Gangart der Songs zugeneigt ist. Hier ist auf
jeden Fall ein Probehören angeraten.
Die zweite CD steht ganz im Zeichen der Originalmusik von Don Davis, Komponist
aller drei Filmteile. Verwirrend ist hier allerdings der CD-Schnitt.
Nach der kurzen sinfonischen Eröffnung mit dem charakteristischen
Matrix-Motiv
aus dem ersten Teil, wird das Orchester in mehreren Stücken von beatlastigen
Technorhythmen überlagert. An zweien davon ("Chateau" und das perkussive
"Teahouse")
war Davis nicht einmal beteiligt. Den Abschluss der CD macht eine rund
17-minütige sinfonische Suite aus dem insgesamt 2-stündigen Score.
Der reine Davis-Anteil beträgt also rund zwanzig Minuten, nimmt man
die beiden Stücke hinzu, an denen der Komponist zumindest mitgeschrieben
hat, kommt man auf immerhin rund 33 Minuten Score.
Wie schon bei der halbstündigen Varèse-CD zur ersten Matrix entsteht auch
hier der Eindruck einer unglücklichen Repräsentation der Filmmusik.
Der Wechsel zwischen den treibenden Techno-Stücken und der sinfonischen Suite
stellt einen herben Bruch dar.
Stilistisch geht die Komposition von Davis ansonsten den eingeschlagenen Weg des
ersten Teils weiter. Die kühl-abstrakte Tonsprache, der Einsatz des Chores,
um die Faszination der im Erdinneren verborgenen Stadt Zion einzufangen, sind
altbekannt. Die auf der CD gebotenen Anteile verzichten allerdings
weitgehend auf die radikalen Dissonanzen des ersten Teils. Insgesamt ist die
Partitur dieses Mal deutlich konventioneller und weniger modern geraten.
Als Zugeständnis an den Zeitgeschmack gibt es die bereits erwähnten Technoeinlagen. Darin
erinnert Matrix Reloaded an die James Bond-Musiken David Arnolds (vor allem
zuletzt Stirb an einem anderen Tag),
in denen dieser eine ganz ähnliche Mischung von Sinfonik mit elektronischen Beats
verwendet hat.
Insgesamt bleibt die aufgeladene Matrix auch musikalisch eine kleine Enttäuschung.
Den besten Eindruck macht noch die im Bereich von 3 1/2 Sternen anzusiedelnde
Suite, die eine ordentliche Zusammenfassung des Scores bietet. Der Rest ist dann
doch deutlich schlichter gearbeitet. Ob eine bessere Präsentation
die beschriebenen Mankos allerdings wieder zurechtrücken kann, bleibt abzuwarten.
Bis dahin muss die Doppel-CD für Filmmusik-Fans wohl oder übel ausreichen. (mr)