Das Musical galt in Hollywood lange Zeit als totgesagtes Genre. Regisseure,
die es zu wiederbeleben versuchten, wurden im allgemeinen nur milde belächelt.
Es ist ist den beiden erfolgreichen Musicals der 90er Jahre, nämlich
Evita (1996, Regie: Alan Parker) und
Everyone says: I love you (1996, Regie: Woody Allen) zu verdanken, dass sich
diese Lage mittlerweile ein klein wenig entspannt hat. Durch sie wurden einige neue
Produktionen möglich. Allerdings gelten neue Musicals immer noch als riskant und die
Zeiten von Filmen wie
Der Zauberer von Oz (1939) und
Die 42. Straße (1933)
werden so schnell kaum wiederkehren.
Shakespeare-Experte Kenneth Branagh, der bereits Henry V (1989), Viel Lärm um Nichts (1993) und Hamlet
(1996) auf die große Leinwand gebracht hat, adaptierte nun
das vielleicht am wenigsten bekannte Stück des Dichters: die Komödie Verlorene Liebesmüh'.
Das Stück gilt unter Kritikern
als eines der schwächsten und wirrsten Werke Shakespeares und wird wegen seiner vielen Zeitbezüge
vergleichsweise selten aufgeführt. Grund genug also für
eine Rundumüberholung des Stoffes. Branagh verlegte die Handlung in die 30er Jahre kurz vor Ausbruch des
2.Weltkrieges und inszenierte im Stil der populären MGM-Musicals der damaligen Zeit.
Für die Gesangseinlagen wählte er zusammen mit Patrick Doyle, der auch die Originalmusik
des Filmes schrieb, eine Reihe zeitloser Songs der Musical-Komponisten George Gershwin,
Cole Porter, Irving Berlin und Jerome Kern aus.
Doyle arrangierte berühmte Klassiker wie "Cheek to Cheek", "I've got a Crush on you" oder
"I'd rather Charleston with you" für den Film um, komponierte neue orchestrale Einleitungen, und paßte sie
dem Kontext und der Atmosphäre seiner eigenen Musik an.
Für "The Way you Look tonight" verlangsamte er z.B. das Tempo des Arrangements, um besser
der Melancholie der Szene entsprechen zu können. Für "Let's face the music and dance" wählte
Doyle ein ungewöhnliches Arrangement mit vielen Blas- und Streicherinstrumenten um
die "Fantasie"-artige Wirkung der Szene zu unterstreichen. Auf diese Weise werden die Brüche zwischen
den Songs und der Komposition Doyles merklich abgeschwächt.
Diese orientiert
sich im wesentlichen an seiner Viel Lärm um Nichts-Partitur von 1993, verleiht dem
episch-üppigen Charakter der Musik aber zusätzlich typisch britische Noblesse
und die charmante Verspieltheit der alten Broadway-Musicals.
Deren Stil verarbeitet Doyle mit seiner eigenen Handschrift.
Deutlich wird dies bei der Ouvertüre ("Love's Labour's Lost").
Als Vorbild dienten die alten MGM-Filme. Doch unüberhörbar tritt auch
die Verwandtschaft zur Viel Lärm um Nichts-Eröffnung zu Tage.
Erstaunlich problemlos verschmelzen Lieder und Originalmusik zu einer Einheit.
Deren unmittelbarer Reiz besteht, ähnlich wie beim erwähnten Woody Allen-Film,
vor allem darin, dass die Songs nicht von professionellen Gesangskünstlern, sondern vom weniger
stimmsicheren Darstellerensemble gesungen werden.
Die Kombination aus zeitlosen Broadwayklassikern und der nostalgischen
Komposition Doyles entwickelt einen reizvollen Charme und gehört zu den schönsten
Filmmusikveröffentlichungen des Jahres. (mr)