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Rezension

"Vom Kannibalen und dem Drachen"

Danny Elfman (geb. 1953):

Red Dragon (2002) ****

Danny Elfman hat einen Lauf. Der 49jährige Komponist hat mit der Filmmusik zu Red Dragon nun schon für den dritten Blockbuster in Folge komponiert. Die packende Musik zum Marvel-Comic Spider-Man und sein komödiantischer Genrecocktail für die Alien-Hatz Men in Black II brachten ihm 2002 bereits einige Lorbeeren ein. Dieser Trend setzt sich nun mit dem neuen Hannibal Lecter-Thriller Roter Drache - Red Dragon fort. Der Stoff nach dem ersten "Kannibalen"-Roman von Thomas Harris wurde schon einmal 1986 von Michael Mann verfilmt. Damals wurde Lecter noch - weniger charismatisch als Hopkins - von Brian Cox verkörpert und für die blasse Synthie-Musik war Michel Rubini zuständig. Trotz dieser Schwächen war Manhunter ein durchweg solider, spannender Thriller, der ein Remake nicht unbedingt nötig gehabt hätte.

Der große Erfolg von Das Schweigen der Lämmer (Musik: Howard Shore) und dem Sequel Hannibal (Musik: Hans Zimmer) hat die Produzenten jedoch zu einer Neuauflage mit Starbesetzung (Anthony Hopkins, Edward Norton, Ralph Fiennes und Emily Watson) bewogen. Das ertragreiche Einspielergebnis auch dieser Verfilmung dürfte weitere Fortsetzungen nach sich ziehen. Die müssten dann aber ohne eine literarische Vorlage von Thomas Harris auskommen. Denn mit Red Dragon wurde der letzte Hannibal Lecter-Roman verfilmt. Ob die Faszination der Zuschauer am schrecklichen Psychopathen auch in Serie bewahrt werden kann, bleibt allerdings abzuwarten.

Weniger als ein blasses Sequel, sondern als vielmehr bislang beste Vertonung der Reihe, kommt Danny Elfmans Musik zu Red Dragon daher. Auch wenn der Batman-Komponist Erfahrung mit den düster-absurden Filmen Tim Burtons hat: einem konsequenten Psychothriller hatte er bis jetzt noch nicht seine musikalische Stimme verliehen. Themengemäß ist Red Dragon eine sehr düstere, abgründige Filmmusik. Doch anders als die atmosphärischen, sehr bildbezogenen Klänge Howard Shores im Schweigen der Lämmer und die Stilkopien klassischer Vorbilder von Hans Zimmer in Hannibal, überzeugt seine Arbeit auch losgelöst von der Leinwand.

Elfmans Handschrift ist unverkennbar. Wie schon in den vorangegangenen Filmmusiken präsentiert auch Red Dragon eine Synthese aus Sinfonieorchester mit Chor und raffiniert eingearbeiteten elektronischen Klangstrukturen. Gewissermaßen ist die Musik sogar ein fernes Echo von aus Spider-Man und Planet of the Apes Gehörtem. Doch Elfman bleibt im Einsatz der Mittel merklich zurückhaltender. Dramatische Ausbrüche des Orchesters wie in den tollen "Main Titles" mit sich furios steigernden Streicherrhythmen sind rar gesät. Auch die Choreinsätze werden durchweg subtil platziert.

Elfman arbeitet geschickt mit seinem Themenmaterial, das allerdings ohne ein prägnantes, unmittelbar eingängiges Hauptthema auskommt. Wie er im vorzüglichen CD-ROM-Feature der Soundtrack-CD erwähnt, gibt es für den Bösewicht - dem roten Drachen - gleich zwei Motive: eine kindlich anmutende Melodie, die die verstörte, naive Seite des Psychopathen symbolisiert (meist verhalten vom Xylophon oder den Holzbläsern gespielt) und ein aggressives, harsches Motiv, welches für seine Gewaltausbrüche steht.

Gerade das mehrmalige Hören überwindet den etwas sperrig-spröden Eindruck, den die Musik anfangs auf viele machen wird. Den schwierigen Einstieg einmal hinter sich gelassen, zeigt Red Dragon wie modernes Suspense-Scoring, das den Traditionen zwar verbunden ist, aber auch eigene Wege geht, aussehen kann. Insofern lässt sich der Score durchaus mit Minority Report von John Williams vergleichen - auch wenn letztere Musik noch ein Stückchen ausgefeilter und abwechslungsreicher wirkt. Zwar ist Red Dragon weniger eingängig als frühere Elfman-Musiken, deshalb aber keinesfalls grundsätzlich schlechter oder weniger empfehlenswert. Im Gegenteil: Es handelt sich um überzeugende, richtig gute Filmmusik. (mr)

Decca 473 248-2
Dirigent: Pete Anthony
57:16 Min.

Filminfo
Deutscher Titel: "Roter Drache"
Regie: Brett Ratner
Darsteller: Anthony Hopkins, Edward Norton, Ralph Fiennes

Tracklist:

  1. Logos (0:49)
  2. The Revelation (2:41)
  3. Main Titles (2:59)
  4. The Cell (3:26)
  5. The Old Mansion (4:45)
  6. The Address (1:41)
  7. We're Different (1:25)
  8. The Note (2:47)
  9. Enter the Dragon (5:52)
  10. Threats (2:23)
  11. Tiger Balls (1:32)
  12. Love On a Couch (5:08)
  13. Devouring the Dragon (3:43)
  14. The Fire (4:33)
  15. The Book (0:34)
  16. He's Back! (6:07)
  17. End Credits Suite (6:43)