Die Anwälte (Deutschland 2009):
Ein Problem bei Filmkritiken zu Produktionen, die die RAF-Zeit aufarbeiten ist es, dass die Rezensenten die Zeit meist selber
bewusst miterlebt haben und daher oftmals urteilen, dass es keine neuen Erkenntnisse gäbe, die diese Filme sehenswert machten.
In dieser Hinsicht wird es auch der Dokumentarfilm
Die Anwälte - Eine deutsche Geschichte von Birgit Schulz schwer haben.
Im Mittelpunkt stehen Interviews mit Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Hort Mahler. Alle drei arbeiteten ab den späten 60er Jahren
in einer aus der Außerparlamentarischen Opposition entsprungenen Anwaltskanzlei. Sie verteidigten angeklagte RAF-Mitglieder vor Gericht.
Ausgangspunkt der Dokumentation ist ein Foto von 1972, auf dem alle drei zusammen im Gerichtssaal zu sehen sind. Mahler war damals
wegen Planung und Beihilfe an der gewaltsamen Befreiung des RAF-Terroristen Baader angeklagt, Schily und Ströbele seine Verteidiger.
Birgit Schulz zeichnet anhand von Interviews und Archivmaterial den Lebensweg der drei Anwälte bis heute nach. Die Brüche sind vor allem
bei Schily und Mahler erstaunlich: Schily verfolgte als Innenminister der rotgrünen Regierung nach dem 11. September eine beinharte
Law and Order-Politik. Geradezu krass wirkt der Gesinnungswechsel von Mahler, der als Anwalt für die NPD gearbeitet hat und derzeit
wegen Leugnung des Holocaust für fünf Jahre im Gefängnis sitzt. Alle drei haben sich heute nur noch wenig zu sagen, halten ihre individuellen
Lebensläufe aber für schlüssig. Es war zu erwarten, dass sich keiner von ihnen aus der Reserve locken lässt. Dennoch gelingt Birgit Schulz
ein hochspannendes Zeitdokument, dass vor allem jüngeren Zuschauern einen aufschlußreichen Einblick in die jüngste deutsche Geschichte liefert,
den eine rein chronologische Bebilderung der geschichtlichen Ereignisse so nicht liefern kann.
Bollywood Hero (Niederlande 2009):
Jeder Film ist eine Reise, sagte die Produzentin von The Wish Tree vor der Aufführung des Films am Vortag. Diese Aussage
trifft auf Diederik van Rooijens zweiten Langspielfilm Bollywood Hero in besonderem Maße zu: Erzählt wird die Geschichte des jungen
Schauspielers Nick, der nach Mumbai reist, da er dort ein Engagement für eine Bollywood-Produktion erhalten hat. Konfrontiert mit dem
alltäglichen Elend und traumatisiert durch den von ihm unabsichtlich verschuldeten Unfalltod eines kleinen Mädchens, beginnt er gegen Armut
und Unterdrückung zu kämpfen. Er gerät in seinem Übermut immer weiter in einen fatalen Sog, der sich und seine Freunde in Gefahr bringt.
Kann man als Außenstehender den Menschen in Indien wirklich helfen? Was für Konsequenzen hat diese Hilfe? Bewirkt sie nur Gutes? Diese Fragen
stellt der angeblich auf eigenen Erfahrungen beruhende Film van Rooijens. Er liefert keine einfachen Antworten auf diese Fragen - eine große Stärke
des Filmes. Mitunter wirkt
die Mischung aus irrealen Elementen (Nick kann durch 8mm-Kamera hilfsbedürftige Menschen erkennen.) und lebendigem Indienbild allerdings doch
irritierend. Der Nick mitreißende Sog nimmt letztlich aber auch den Zuschauer gefangen. Atemlos verfolgt man, wohin die Reise des Bollywood Hero führt.
Der Zinker (Deutschland 1931):
Wer dachte, Verfilmungen der Bücher von Edgar Wallace würden erst in den 60er Jahren beginnen, wurde am Donnerstagabend in der
Neuen Oberschule eines Besseren belehrt. Zur Aufführung kam eine frühe Tonfilm-Adaption von 1931, inszeniert von Carl Lamac. Der der Vergessenheit
entrissene Film wurde mit einer neu komponierten Musik des Österreichers Florian C. Reithner mit dem Staatsorchester Braunschweig aufgeführt.
Versiert hat der Komponist eine dramatische Vertonung geschaffen, die geschickt mit Stilismen aus der Klassik und Filmmusikgeschichte spielt und
mit Elementen der Unterhaltungsmusik der dreißiger Jahre paart. Die Suche nach dem berüchtigten Zinker, der aus unergründlichen Motiven
Ganoven verzinkt, d.h. verrät, wirkt in dem frühen Tonfilm zumindest aus heutiger Sicht zwar etwas konfus. Dennoch war es
ein spannendes Erlebnis zu beobachten, wie
die frühe Verfilmung bereits als Vorbild für die spätere Umsetzung von 1963 diente. Allein die Akustik in der Neuen Oberschule war der tollen Aufführung
leicht abträglich. Die Lautstärke der Musik überlagerte zum Teil Dialoge und erdrückte mitunter geradezu die Bilder. Dennoch gebührt den Organisatoren
vom Filmfest Braunschweig großen Dank, diese seltene Aufführung überhaupt möglich gemacht zu haben. (mr)