Die meisten Filmkomponisten träumen davon, einmal in ihrer Karriere einen großen, epischen
Abenteuerstoff zu vertonen. Die Aussicht, mit einem großen Orchester und Chor
arbeiten zu können, aber auch die Karrierechancen, die sich mit einem solchen Projekt
verbinden, machen Stoffe wie
Harry Potter,
Herr der Ringe oder nun die
Chroniken von Narnia
heißbegehrt. Besonderes Glück hatte deshalb Harry Gregson-Williams im Kinojahr 2005:
Erst durfte er für Ridley Scotts aufwändige Kreuzfahrergeschichte
Königreich der Himmel
komponieren und nur kurze Zeit später ließ man ihn bei der Verfilmung des Auftakts
der "Narnia"-Chroniken ran - zweifellos eine ungemein reizvolle Aufgabe für den
Amerikaner.
Man konnte also durchaus gespannt sein, wie Gregson-Williams der großen
Herausforderung begegnen würde. Das Hören der rund einstündigen Komposition
lässt jedoch etwas Ernüchterung einkehren. Der große Wurf ist die "Narnia"-Musik nämlich leider
nicht geworden. Denn was nun als repräsentativer Querschnitt auf Tonträger vorliegt,
offenbart vor allem das kommerzielle Kalkül der Macher - spürbar beseelt vom
Wunsch, es dem Herr der Ringe-Erfolg nachzutun.
Dementsprechend orientiert sich die Musik deutlich am Zeitgeschmack und beliebten
Fantasy-Musiken der jüngeren Hollywood-Vergangenheit. Zwar spielt
erwartungsgemäß ein großes Orchester inklusive Chor und zahlreicher Solisten.
Doch schon die wiederkehrenden elektronischen Rhythmen und die synthetischen Effekte
muten anachronistisch an (und verweisen zugleich auf die Media Ventures-Vergangenheit
des Komponisten). Als wollte dieser es noch extra unterstreichen, sorgt in manchen
Stücken (z.B. "A Narnia Lullaby") das nicht zuletzt aus dem Gladiator (2000)
bekannte Armenische Duduk für exotisches Flair.
Mit diesen irritierend modernen Elementen ist es aber nicht getan.
Der Einsatz zahlreicher Gesangssolisten und verschiedener Chöre verweist
stilistisch auf Shores immens populäres Ring-Opus. Die ätherischen New Age-Klänge,
derer sich Gregson-Williams bedient, liegen ebenfalls prima im Trend.
Derart viele Zugeständnisse an den Zeitgeschmack tun nur bedingt gut. Daher
verwundert es kaum, dass die Vertonung sehr viel Mühe hat, ein eigenes Profil
zu entwickeln. Gregson-Williams komponiert ebenso routiniert wie standardisiert
an den Bildern entlang. Die monotone Rhythmik der Actionstücke, manche rein
atmosphärische Klangkollage und der einfallslose Einsatz des Chores
- immer genau dann wenn es magisch werden soll oder das Schicksal zuschlägt -
lassen viel Leerlauf entstehen. Immerhin finden sich eine Reihe schön orchestrierter
Stücke und mit mehrfachen Hördurchgängen kristalliert sich auch eine durchdachte
Leitmotivik heraus. Es gibt u.a. lyrische Themen für das Zauberreich Narnia,
die Kinder sowie eine Heldenfanfare, die an typische Action-Themen von Hans Zimmer
erinnert. Diese zentralen Themen gehen der Musik einige Kohärenz und treten
immer wieder klangschön in Erscheinung. Darüber hinaus bleiben sie aber kaum im
Gedächtnis haften.
Die Komposition erhält durch die genannten Schwächen eine Note der Beliebigkeit,
wo man eigentlich einen charismatischen und erweiterbaren Klangkosmos erwartet
hätte. Die durchaus vorhandenen guten Ansätze werden im Keim erstickt und
es ist zumindest fraglich, ob die kommenden Filmteile sinnvoll auf diese Komposition
werden aufbauen können. Das ist durchaus schade, denn in manchen Stücken blitzt der
mögliche Unterhaltungswert der Musik auf. Zu mehr als gefälligem Mittelmaß reicht
es trotz netter Momente und hohem Produktionsaufwand aber am Ende nicht. (mr)
Walt Disney Records 61374-7 (CD ist kopiergeschützt)
The Los Angeles Recording Arts Orchestra
The Bach Choir, The Choir of the King's Consort, Sylvia Young Theatre School Choir
Dirigent: Harry Gregson-Williams
70:55 Min.
Filminfo:
Deutscher Titel: "Die Chroniken von Narnia - Der König von Narnia"
Regie: Andrew Adamson
Darsteller: Tilda Swinton, James McAvoy, William Moseley, Anna Popplewell
Tracklist:
- The Blitz, 1940 (2:32)
- Evacuating London (3:38)
- The Wardrobe (2:54)
- Lucy Meets Mr Tumnus (4:10)
- A Narnia Lullaby (1:12)
- The White Witch (5:30)
- From Western Woods to Beaversdam (3:34)
- Father Christmas (3:20)
- To Aslan's Camp (3:12)
- Knighting Peter (3:48)
- The Stone Table (8:06)
- The Battle (7:08)
- Only the Beginning of the Adventure (5:32)
- Can't Take It In (4:42)
performed by Imogen Heap
- Wunderkind (5:19)
performed by Alanis Morissette
- Winter Light (4:13)
performed by Tim Finn
- Where (1:56)
performed by Lisbeth Scott