Ähnlich wie der diesjährige Oscarfavorit
Abbitte erzählt auch
Der Drachenläufer - The Kite Runner
(inszeniert vom Schweizer Marc Forster nach dem gleichnamigen Bestseller) eine Geschichte um Schuld und Sühne.
Es handelt sich aber um eine filmische Reise, die den Zuschauer in das Afghanistan der späten 70er Jahre entführt,
eine Zeit vor der Russischen Besatzung, in der das Leben der Menschen im Großen und Ganzen noch unbeschwert war. Im Mittelpunkt
stehen zwei befreundete Kinder: Amir und Hassan, der eine Paschtune, der andere Hazara (eine
benachteiligte ethnische Minderheit Afghanistans). Als Amir tatenlos zusieht, wie sein Kumpan vergewaltigt wird,
lädt er sich damit eine beinahe lebenslange Schuld auf, die ihn auch viele Jahre später als Schriftsteller
im Amerikanischen Exil verfolgt.
Die Filmmusik wurde von Alberto Iglesias komponiert, der bereits mit seiner Vertonung des beklemmenden Dramas
Der Ewige Gärtner - The Constant Gardener (2005), um die Machenschaften eines Pharmakonzerns
in Kenia, sein Talent für Weltmusikalisches unter Beweis stellen konnte. Sein Drachenläufer steht ebenfalls
ganz im Zeichen einer sehr um Authentizität bemühten Fusion aus westlich geprägten orchestralen Klängen
und - in diesem Fall - asiatischer Folklore. Sie verbindet - ganz den Wurzeln der Musiktradition des
Vielvölkerstaates entsprechend Einflüsse aus Orient, Indien und China. Iglesias greift auf eine
vielfältige Auswahl für unsere Ohren fremdartig klingender Saiten-, Blas- und Perkussions-Instrumente
zurück. Die Kombination aus Orchestralem und Ethnischem ist ihm geglückt: Geschickt lotet er
die Atmosphäre der Handlung aus, ob nun tänzerisch-rhythmisch geprägte Stücke das ausgelassene Spiel des titelgebenden
"Drachensteigens und -fangens" (ein Volkssport, der später von den Taliban verboten wurde) begleiten oder
aber melancholische Stimmungsmalereien die Schuld des Protagonisten oder auch das immer tiefer in ein
kriegsgebeuteltes Chaos versinkende Afghanistan spiegeln: Stets arbeitet der Spanier mit einer im
Hollywood-Kino ungewöhnlichen Sensibilität und Behutsamkeit, in der hollywood-übliche Effekthascherei oder
falsche Sentimentalitäten keinen Platz haben. Dabei bewahrt er in der Musik stets die Fremdartigkeit und Undurchdringlichkeit
Afghanistans, ohne dafür abgedrochene Weltmusiklischees zu bemühen. Ein Kunststück, das ihm bereits
vor zwei Jahren mit dem Ewigen Gärtner
in ähnlich überzeugender Weise gelang.
Beide Musiken haben allerdings gemeinsam, dass sie in erster Linie auf die Wirkung der exotischen Klangkollagen,
des ethnischen Instrumentariums und ihrer rhythmischen Strukturen vertrauen. Melodisch-thematische Akzente finden
sich darum nur in kurzen Momentaufnahmen, eine motivische Verarbeitung ist praktisch nicht vorhanden.
Man könnte deshalb beinahe geneigt sein, von einer gewissen Kurzatmigkeit zu sprechen. Dieser Vorwurf wäre zwar nicht ganz unberechtigt,
da es leider auch die ein oder andere weniger eigenständige Passage gibt, würde aber letztendlich wohl doch
zu kurz greifen. Denn es sind vor allem die Details der Instrumentierung und die zum Teil ungewöhnlichen Klangwirkungen,
die die eigentlichen Qualitäten des Drachenläufers ausmachen, ihm im großen Maße
seine eigentümliche Faszinationskraft verleihen. Nicht unbeträchtlichen Anteil daran hat auch die Source-Musik: afghanische
Lieder (von Sängern wie Ahmad Zahir, Ehsan Aman etc.) aus der Zeit der Filmhandlung, die sich mitunter fast unmerklich
in den Kontext der eigentlichen Komposition eingliedern. Völlig zu Recht wurde Iglesias für seine Arbeit mit
einer Oscar-Nominierung belohnt. Auch diesen schönen Erfolg hat die feine Musik mit dem Ewigen Gärtner
gemeinsam. (mr)
Deutsche Grammophon/edge music 477 7333
The Hollywood Studio Symphony
Dirigent: Michael Nowak
62:47 Min.
Filminfo:
Deutscher Titel: "Der Drachenläufer"
Regie: Marc Forster
Darsteller:
Tracklist:
- Opening Titles (3:20)
- The Call, Kabul 1978 (2:32)
- He Hates Me (1:07)
- Kite Shop (3:06)
- Sin (1:34)
- Tanha Shudam Tanha (3:35)
performed by Ahmad Zahir
- Kite Tournament (5:40)
- Hassan Theme (2:57)
- Az Man Begurezed (5:04)
performed by Ahmad Zahir
- Plant the Watch (1:29)
- Russians Invade (2:22)
- The Truth (1:59)
- Ormaid e Man (1:47)
performed by Ehsan
Aman
- Fuel Tanker (3:09)
- End Phone Call (2:06)
performed by Sussan
Deyhim
- The Stadium (2:33)
- Escape (3:09)
- Dukhtare Darya (3:42)
performed by Ehsan
Aman
- Fly a Kite (4:27)
- Reading the Letter (2:49)
- Supplication (4:05)
performed by Sami
Yusuf