Das Familiendrama
Anthony Adverse war die vierte Filmmusik von
Erich Wolfgang Korngold in Hollywood. Nach Max Reinhardt's
A Midsummer Night's Dream (1934),
für den Korngold die berühmte Mendelssohn-Musik umarrangierte und erweiterte, waren
der Errol Flynn-Swashbuckler
Captain Blood und das Drama
Green Pastures (beide 1935) (für welches der Österreicher allerdings nur zwei Szenen mit Musik unterlegen
musste) gefolgt. Der große Erfolg von
Captain Blood führt
schließlich zum Engagement für den Historienstreifen
Anthony Adverse - Ein rastloses Leben.
Dieser basiert auf einem Bestseller des Schriftstellers Harvey Allen, der eine
epische Liebesgeschichte zu Zeiten Napoleons erzählt.
Mit weit gestreuten Schauplätzen (von Frankreich bis Afrika), 135 Sets und einer Lauflänge
von über zwei Stunden war die tragische Romanze eine der aufwändigsten Warner-Produktionen seiner Zeit.
Korngold brachte die romantische Musik den ersten von zwei Oscars ein (den anderen gab es für Robin Hood).
Die Partitur ist leitmotivischer Natur und von einem opernhaften und hochemotionalen
Gestus. Wunderbare melodische Einfälle, tolle Variationen und eine prachtvolle Verarbeitung des exotischen
Lokalkolorits gehen mit der schönen Orchestrierung Hand in Hand.
Die Musik von Anthony Adverse besitzt natürlich keine den Swashbucklern vergleichbare
Actionsequenzen. Themengemäß steht die melodramatische Liebesgeschichte im Vordergrund. Deshalb setzt
sich die Komposition deutlich von Captain Blood und The Adventures of Robin Hood ab.
Deshalb mag sie zunächst schwerer zugänglich sein als die genannten Abenteuermusiken. Doch wer
sich ein wenig einhört, wird schnell merken, wie großartig Korngold hier gearbeitet hat.
Anthony Adverse ist vielleicht sogar eines der schönsten Beispiele für die vielzitierte Aussage, Korngold schreibe
Opern ohne Worte (ironischerweise ist die weibliche Hauptfigur im Film Opernstar).
Für den Film schrieb Korngold rund achtundachtzig Minuten Musik.
Der restliche Bedarf an Untermalung wurde mit Source-Musikstücken erledigt.
Mit randgefüllten CD's geben die Labels Varèse Sarabande und Tsunami jeweils eine fast
vollständige Repräsentation des Scores wieder.
Die Originaleinspielung von Tsunami (4½ Sterne):
Mit der 2001 veröffentlichten Tsunami-CD wird erstmals die von Korngold selbst dirigierte
Originaleinspielung von 1936 zugänglich. Leider haben die Masterbänder mit über sechzig Jahren auf dem Buckel
doch etwas gelitten. Die Tonqualität ist hörbar schwächer als die der letzten Korngold-CD von Tsunami,
Captain Blood, insgesamt aber noch passabel. Hingegen beeindruckt Korngold mit schnellen Tempi und
einer packenden Intensität in seiner Einspielung.
Der Booklet-Text der Tsunami-CD gibt einen ordentlichen, wenn
auch nicht übermäßig ausführlichen Hintergrund zum Film und zur Biographie des Komponisten.
Peinlich ist allerdings, dass das Tracklisting auf der Rückseite der CD-Hülle nicht mit der Anzahl der
Stücke auf der CD übereinstimmt.
Die Varèse-Neueinspielung (4½ Sterne):
Trotz gutem Orchester und Dirigenten ist die Nachspielung von John Scott dem Original
deutlich unterlegen. Weder in Sachen Intensität
noch Tempi kann sein (keinesfalls schlechtes) Dirigat mit Korngold mithalten. Dank der Aufnahmetechnik
der frühen 90er Jahre klingt die Varèse-CD allerdings naturgemäß besser. Die Zusammenfassung zu sieben Suiten
bringt der Komposition viel Kohärenz. Das informative Booklet rundet die solide Veröffentlichung ab.
Fazit:
Beide Aufnahmen bringen dem Filmmusikhörer einen guten Eindruck von der meisterhaften
Korngold-Musik, sind aber nicht frei von Schwächen. Die Tsunami-CD kann nicht mit dem hohen Standard
der FSM-Wiederveröffentlichungen aus Amerika und die Varèse-CD nicht mit den Neuspielungen des
Marco Polo-Teams um Morgan/Stromberg konkurrieren. Deshalb gibt es auch entsprechende Abzüge in der Bewertung
beider Editionen.
Es bleibt zu hoffen, dass in Sachen Anthony Adverse
noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Bis zu einer besseren Veröffentlichung kann man aber mit
den vorliegenden Editionen durchaus zufrieden sein und diesen prachtvollen Korngold-Soundtrack
in solider Form genießen. (mr)
Originaleinspielung (Veröffentlichung 2001):
Tsunami TSU0143
Dirgient: Erich Wolfgang Korngold
30, 79:42 Min.
Neuaufnahme (1991):
Varèse Sarabande VSD-5285
The Berlin Radio Symphony Orchestra
Dirigent: John Scott
7, 73:19 Min.
Filminfo:
Deutscher Titel: "Ein rastloses Leben"
Regie: Mervin LeRoy
Darsteller: Fredric March, Billy Mauch
Tracklist der Varèse-CD:
- The Lovers (11:01)
- Anthony is born (10:30)
- Casa da Bonnyfeather (8:38)
- Anthony and Angela (7:47)
- From Leghorn to Cuba (7:09)
- Adventures in Africa (11:18)
- Anthony returns to Europe (16:44)