Die Filmmusiken des in England geborenen John Powell ließen sich bislang
grob in zwei Kategorien einteilen: Poppig-rhythmisch durchdrungene
Spannungsvertonungen wie
Die Bourne Identität
oder
Paycheck auf der einen Seite und turbulente
Komödienmusiken (meist für animierte Familienfilme), wie z.B.
Shrek
oder zuletzt
Ice Age 2 auf der anderen. Selten
hat der Brite aber so durchgängig großsinfonisch arbeiten können wie nun
beim dritten und womöglich letzten Abenteuer der mutierten
X-Men. Allerdings
wandert die üppig besetzte Sinfonik, die Powell hier präsentiert,
auf reichlich ausgetretenem Pfaden, orientiert sich im Gestus und Tonfall an den zahlreichen
Superhelden-Vertonungen der letzten Jahre. Mit den vorangegangenen
X-Men-Vertonungen (von Michael Kamen bzw. John Ottman) hat die neue Musik
dabei nur wenig gemeinsam. Allein das heroische Hauptthema nähert sich dem
von John Ottman zum zweiten Teil geschriebenen an und sorgt so zumindest für ein
klein wenig Kontinuität innerhalb der beliebten Serie.
Während sich die einstündige Komposition in der ersten Hälfte nach einer kurzen
Vorstellung und Verarbeitung des Hauptthemas hauptsächlich in düsteren Spannungsuntermalungen
verliert, geht es in der letzten halben Stunde kräftig zur Sache. In den
großzügig proportionierten Actionstücken entlädt sich ein brachial
lärmendes Orchesterfeuerwerk, das durch die schiere Wucht der geballten Kräfte
beeindruckt, aber zugleich jede Subtilität im Keim erstickt. Beinahe unaufhörlich
stampft und hämmert das Schlagwerk, jagt ein schlichtes Ostinato das nächste.
Da das in der Konzeption kaum noch steigerungsfähig ist, verwendet
Powell im letzten Drittel geradezu frenetische Tempi. Und wenn man schließlich
meint, nichts könne dies mehr übertrumpfen, muss ein tosend-kreischender Chor her,
um auch noch dem letzten Hörer/Zuschauer die schicksalhafte Dramatik des
entscheidenden Kampfes einzubläuen.
Wenn Powell aber einmal nicht sprichwörtlich auf die Pauke haut, kommen
mitunter ansprechende melodische Akzente zum Vorschein: schöne Streichermelodik
mit hübschen Akzenten von Holzbläsern, Harfe und raunendem Chor. Dies sind
die besten Momente der Komposition, wenngleich manches mitunter verdächtig nach
John Barry klingt (z.B.: "The Funeral"). Überhaupt ist die Nähe zu manchen
Temp-Tracks unverkennbar. Phasenweise klingen die Action-Musiken von James
Newton Howard an. In einem orientalisch anmutenden Nebenthema ist Alan Silvestris
Mummy Returns nicht weit und im überzogenen Gestus
meint man öfters, Ed Shearmurs Sky Captain flöge gleich um die Ecke. Dazu
gibt es eine Prise Superman und fertig ist die gelackte Comic-Vertonung.
X-Men: Der letzte Widerstand funktioniert im Grunde nach demselben "Over the top"-Prinzip wie
es die Komödien-Musiken Powells tun, ohne aber über deren funkensprühenden
Humor und stilistische Vielseitigkeit zu verfügen. Was in Teilen dank hübscher
thematische Einfälle noch einigermaßen unterhält, ist im Ganzen schlichtweg zu
viel des Guten und nicht zuletzt mehr Schein als Sein. Schmerzlich
vermisst man im überbordenden Spektakel zudem eine eigene Handschrift des
Komponisten. Mancher Hörer mag an den
heldenhaften Posen, theatralischen Chorälen und der einschmeichelnden
Streichermelodik zwar trotzdem Gefallen finden, sollte sich dabei aber vom Oberflächenglanz
nicht allzu sehr blenden lassen. (mr)
Varèse Sarabande VSD-6732
The Hollywood Studio Symphony
Dirigent: Pete Anthony
61:40 Min.
Filminfo:
Deutscher Titel: "X-Men: der letzte Widerstand"
Regie: Brett Ratner
Darsteller: Patrick Stewart, Ian McKellen, Anna Paquin
Tracklist:
- 20 Years Ago (1:10)
- Bathroom Titles (1:09)
- The Church of Magneto/Raven Is My Slave Name (2:40)
- Meet Leech, Then Off To the Lake (2:37)
- Whirlpool of Love (2:04)
- Examining Jean (1:12)
- Dark Phoenix (1:28)
- Angel’s Cure (2:34)
- Jean and Logan (1:39)
- Dark Phoenix Awakes (1:45)
- Rejection Is Never Easy (1:09)
- Magneto Plots (2:05)
- Entering the House (1:18)
- Dark Phoenix’s Tragedy (3:18)
- Farewell to X (0:30)
- The Funeral (2:52)
- Skating On the Pond (1:12)
- Cure Wars (2:57)
- Fight in the Woods (3:06)
- St Lupus Day (3:03)
- Building Bridges (1:16)
- Shock and No Oars (1:15)
- Attack on Alcatraz (4:36)
- Massacre (0:31)
- The Battle of the Cure (4:20)
- Phoenix Rises (6:29)
- The Last Stand (5:29)