Mit den Filmmusiken zweier RTL-Eventmovies - die eine zum Geschichtsdrama
Prager Botschaft (2007, TV-Premiere war der 23.9.),
die andere zum Historienspektakel
Held der Gladiatoren (2003) stellt das Label Alhambra mit Carsten Rocker
(Homepage:
www.carstenrocker.de) einen weiteren Deutschen Filmmusik-Newcomer
der letzten Jahre vor. Rocker hat in Oldenburg Musik studiert und ist in den 90er Jahren nach Los Angeles gegangen,
um dort sein Studium fortzusetzen, konnte aber zeitgleich erste filmmusikalische Erfahrungen als Assistent bei
Film-Komponisten in Hollywood sammeln. Er schrieb Musiken für verschiedene Kurzfilme und kehrte schließlich
1999 nach Deutschland zurück. Seitdem arbeitet er als freischaffender Komponist hauptsächlich fürs Fernsehen.
Die vorliegende CD ist die erste überhaupt, die sich seinen Filmmusiken in ausführlicher Form widmet. Überraschend
für die meist doch sehr schnelllebige RTL-Fernsehkost sind beide Musiken vollständig sinfonisch
(mit dem Babelberger Filmorchester eingespielt) gehalten.
Dem Ernst und der Dramatik des Themas angemessen begleitet Rocker die Ereignisse
im August und September 1989 kurz vor der Wende in der Prager Botschaft mit einer sehr verhaltenen,
unaufgeregten Komposition, die vor allem ruhige Streicherharmonien und Klaviermelodien in den Vordergrund stellt. Es ist
eine atmosphärische und subtile Vertonung. Einfühlsame Soli von Klarinette und Cello,
aber auch das Spiel der Gitarre sorgen für sensible Zwischentöne. Leider werden diese guten Ansätze immer wieder
durch Vertonungsklischees wie einfache Streicherostinati oder dramatische Passagen, deren Ursprung als Synthesizerdemo
man allzu oft erahnen kann (z.B. in "Flucht über den Botschaftszaun"), verwässert. Die Filmdienlichkeit
steht im Vordergrund und so wirkt die Musik abseits der Bilder ein ums andere Mal recht blass. Dieser Umstand
und die wenngleich passablen, aber doch etwas unscheinbaren Themen (wie z.B. das Liebesthema) beeinträchtigen den Gesamteindruck
leider erheblich.
Die zweite Musik des Albums zum RTL-Eventmovie-Spektakel Held der Gladiatoren - quasi ein drittklassiger
Imitatsversuchs von Ridley Scotts Erfolgsfilm - offenbart noch stärker den schwierigen Spagat zwischen
musikalischer Ambition und den produktionsbedingten Grenzen hinsichtlich Budget und kreativer Freiheit, dem ein Komponist
bei einem kommerziellen Privatsender wie RTL ausgesetzt ist. Ein "Gladiator für Arme",
so könnte man die Musik etwas zynisch umschreiben. Denn in der rhythmischen Gestaltung, den Action-Stücken, aber auch
in den Vokalisen von Ariana Georgantopoulos eifert die Musik (vermutlich auf Wunsch der Produzenten) hörbar dem
Zimmerschen Vorbild nach. Doch das ist nicht das einzige Problem der Musik: Es wirkt schon reichlich
kurios, wenn das Spiel von Gitarre und Solovioline das Flair eines Historienfilmes zu Zeiten des Römischen Reichs evozieren
soll. Man kann sich gut vorstellen, dass für eingehende Musik-Recherchen weder Zeit noch Geld zur Verfügung standen.
Dies ändert aber dennoch nichts daran, dass der Komposition ein stimmiges ethnisch-historisches Kolorit ebenso wie eine überzeugende sinfonische Gestaltung
praktisch völlig abgehen. Davon einmal abgesehen weiß die Vertonung vor allem dank des eingängigen Hauptthemas - eine lyrische Melodie,
die von der Klarinette in "Requiem" vorgestellt wird und als roter Faden der Partitur dient, - phasenweise doch recht nett
zu unterhalten. Sie bietet zwar alles andere als große Filmmusik, ist aber für einen effektheischenden RTL-Zweiteiler wie den
Held der Gladiatoren recht solide geraten.
Und so kann auch das Resümee zur gesamten CD lauten. Beim Hören wird man das Gefühl nicht los, einen durchaus
begabten Komponisten vor sich zu haben, dessen Fähigkeiten sich aber durch die Produktionsbedingungen der reißerischen
RTL-Produktionen nicht vollständig entfalten konnten (Im Falle der Prager Botschaft werden diesbezügliche Schwierigkeiten
im Begleittext dezent angedeutet). So ganz mögen beide vorgestellten Musiken
letztendlich trotz teilweise guter Ansätze nicht überzeugen. Damit bleibt es bei einer interessanten ersten Begegnung mit
dem Namen Carsten Rocker, aber einer nur sehr bedingt kaufenswerten CD. Auf die weitere Karriere des Newcomers
darf man dennoch gespannt sein. (mr)
Alhambra A 8965
Deutsches Filmorchester Babelsberg
Dirigent: Günter Joseck
68:23 Min.
Filminfo Held der Gladiatoren:
Regie: Jorgo Papavassiliou
Darsteller: Ralph Moeller, Stephan Hornung
Filminfo Prager Botschaft:
Regie: Lutz Konermann
Darsteller: Christoph Bach, Anneke Kim Sarnau
Tracklist:
Prager Botschaft:
- Prager Botschaft (Main Title) (2:29)
- Georg und Bettina (Liebesthema) (3:15)
- Reise in die Vergangenheit (2:03)
- Konflikt (2:43)
- Flucht über den Botschaftszaun (4:02)
- Stefan und Bettina (0:55)
- Blick aus dem Fenster (1:31)
- Georg sieht Bettina (1:06)
- Fahrt nach Revnice (1:03)
- Grenze (1:24)
- Die Stasi kommt (1:17)
- Meinungsverschiedenheit (1:27)
- Eskalation und Lamento (2:00)
- Busfahrt (1:14)
- Käseecke - Liebesthema (Reprise) (3:13)
- Telefonat (2:10)
- Verraten (1:48)
- Die Tore öffnen sich (1:04)
- Auf der Flucht (1:26)
- Die Genscher-Rede (1:14)
- Fahrt in die Freiheit (5:08)
Held der Gladiatoren:
- Requiem (1:56)
- Reise nach Germanien (2:47)
- Flucht (1:24)
- Trance (1:20)
- Erstes Training (2:10)
- Trainingsmontage (0:48)
- Germanus und Flaminia (1:43)
- Bärenkampf (2:26)
- Die Arena (2:02)
- Abschied und Lamento (2:38)
- Der letzte Kampf (3:30)
- Triumpf (1:10)
- Requiem (Reprise) (1:54)