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Marie Bonnevie |
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Wer die Filmographie von Marco Beltrami querliest, dem wird auffallen, für wie
wenige Filmgenres der junge Komponist bislang die Vertonung geschaffen hat. Zahlreiche
Produktionen aus dem Horrorgenre reihen sich mehr oder weniger austauschbar aneinander,
ob nun in Form von
The Faculty, der
Scream-Trilogie oder des
Joyride -
Vielfalt suchte man hier vergebens. Umso überraschender kam es, dass Beltrami 2004
dieser doch etwas starren Schublade zumindest ein klein wenig entrinnen konnte. Großen Anteil
daran hatten vor allem die krude Comic-Verfilmung
Hellboy und
der Science-Fiction-Thriller
i,Robot, die Beltrami zu melodisch
wie konzeptionell überzeugenden Arbeiten inspirierten. Als sei dies nicht Beweis genug,
kam mit über zwei Jahren Verspätung im Dezember dann auch noch die Literaturverfilmung
Dina - Meine Geschichte in die deutschen Kinos - die dritte Zusammenarbeit Beltramis
mit dem dänischen Regisseur Ole Bornedal (
Nachtwache).
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Marie Bonnevie |
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In der tragischen Geschichte geht es um ein junges Mädchen Mitte des 19. Jahrhunderts in
Norwegen, das bei einem Unfall unbeabsichtigt den Tod der eigenen Mutter verursacht,
in Folge isoliert aufwächst und erst als Erwachsene über ihr Cellospiel lernt, die schlimmen
Ereignisse der Kindheit zu verarbeiten. Beltrami hat für das düstere Drama seine bis dato
ungewöhnlichste Musik geschrieben, eine Komposition die nichts mit seinen Arbeiten für das
Horrorkino zu tun hat, gleichermaßen im Rückblick aber durchaus seine eigene Handschrift trägt.
Seine Komposition verknüpft Elemente der skandinavischen Klassik, der nordischen Folklore mit
spätromantischen und modernen Einflüssen.
Erwartungsgemäß kommt dem Cello als Ausdruck der Gefühlslage und des Aufbegehrens Dinas
eine tragende Funktion zu. Die bekannte Cellistin Maria Kliegel drückt mit ihrem expressiven,
markanten Soli der Komposition ihren Stempel auf. Ein besonders bemerkenswertes Stück ist
zweifellos "Dina’s Etude", ein klassizistisches Duett zwischen dem ruppig gespielten Cello
und dem Klavier. Ein düsteres Hauptthema, ein reizvoller Jig ("Firklover String Jig", "Firklover Piano")
und ein besonders schönes Schlaflied für Dina ("Dina's Lullaby"), gesungen von der kanadisch-
französischen Sängerin und Cellistin Jorane, das gleich in fünf verschiedenen Arrangements
am Ende der CD erklingt, bilden die thematische Basis der Komposition. Spannend an den
verschiedenen Liedversionen ist vor allem, dass sie die Brücke von einem Kunstlied mit
Cellobegleitung bis hin zu einer gelungene Pop-Variante ("Dina") schlagen.
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Marie Bonnevie |
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Als Kontrast zu den nach innen gerichteten Cellostücken für die Figur der Dina verwendet
Beltrami eine spröde, impressionistische Tonsprache als musikalisches Sinnbild für die kargen,
zerklüfteten Berglandschaften im Norden Norwegens. Zu einem kleinen Schwachpunkt entwickeln
sich dabei allerdings einige atmosphärische, kollagenartigen Passagen, denen - zum Teil
auch durch synthetische Effekte - eine rein bildbezogene Funktion zukommt. Doch insgesamt überwiegen die genannten positiven
Aspekte: die ausdrucksstarke sinfonische Gestaltung, die überzeugende thematische Verarbeitung
und nicht zuletzt das kraftvolle Spiel des Kölner Gürzenichorchesters. Keine Frage: Die verspätete
Veröffentlichung von
Dina ist eine hochwillkommene Ergänzung in der Discographie Beltramis.
Mit ihr wird eine wichtige Musik des Komponisten endlich auch in Deutschland verfügbar. (mr)