James Horner bleibt ein filmmusikalischer Streitfall. Seine Fans vergöttern praktisch
jede seiner Musiken, während ihn kritische Stimmen seit vielen Jahren auf dem absteigenden Ast
sehen und nahezu jeder seiner Arbeiten mit scharfer Kritik begegnen. Das neueste Werk des
Amerikaners zu Mel Gibsons umstrittenem Historienreißer
Apocalypto über den Untergang der
Maya-Zivilisation dürfte erneut heiße Diskussionen entfachen. Dabei ist die Konstellation
dieses Mal eine andere. Denn wie Horner die archaische Welt der Maya musikalisch einfängt,
verdient zunächst einmal Beachtung.
Apocalypto ist eine bewundernswert radikale Abkehr
von seinen sinfonischen Filmmusiken. Krachende Perkussion (ein großes Arsenal ethnischer Trommeln kommt
zum Einsatz), klirrendes Metall, Naturgeräusche und
synthetische Klangflächen werden mit Einwürfen von Panflöte, Shakuhachi und anderen ethnischen
Flöten gepaart. Hier und da gibt es dann noch den Kehlgesang von Rahat Nusrat Fateh Ali Khan,
der schon bei Horners
Four Feathers für die Vokalanteile verantwortlich
zeichnete. Thematische Akzente fehlen bis auf ein kurzatmiges Liebesthema, das in den Flöten
erklingt, praktisch völlig.
Ein bisschen klingt das wie eine melodisch abgespeckte, hauptsächlich auf die archaisch anmutende Rhythmik
konzentrierte Version von Howard Shores The Cell gemixt mit Horners
New World - ohne Orchester. Doch so faszinierend und experimentell das Konzept von
Apocalypto auch anmutet und so sehr es filmdienlich sein mag, so ermüdend und wenig
eigenständig bleibt die Musik abseits der Bilder. Die betörenden Klangwirkungen von The Cell
oder dem Goldsmith-Meilenstein Planet of the Apes (die vielfach als Bezugspunkte in
Kritiken zur Horner-Musik genannt wurden) werden zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd erreicht.
Viel zu oft verrennt sich Horner in atmosphärischen Klangspielereien, lässt das Schlagwerk
oftmals allzu brachial und monoton hämmern. Die Vokalisen dürften dazu
primär Geschmackssache sein. Das Talent von Rahat Nusrat Fateh Ali Khan steht
zwar außer Frage. Doch ein bisschen von weltmusikalischer Beliebigkeit hat der ethnische Gesang
des gebürtigen Pakistani schon, zumal dieser eher der orientalischen Musiktradition zugehört und
ihn daher naturgemäß eigentlich nur wenig mit den Maya bzw. Mittelamerika verbindet. Unfreiwillig
komisch aber wird die Musik, wenn Horner wie schon zuletzt in The New World
auf gesampeltes Vogelgezwitscher zurückgreift und so mehrfach die Grenze zum seichten Ethnokitsch
überschreitet.
So erfreulich und sympathisch der experimentelle Ansatz auch ist: Horners Apocalypto-Musik
ordnet sich komplett dem Film unter. Abseits des Filmes funktioniert sie jedoch kaum als autonomes
Werk. Dafür mangelt es ihr trotz ambitionierter Ansätze in Form komplexer Rhythmusstrukturen an
kompositorischer Dichte und einer überzeugenden Musikdramaturgie. Die Handschrift des Komponisten
ist zwar erkennbar und der weitgehende Verzicht - sieht man einmal von der Verwendung der
Shakuhachi-Flöte ab - auf die üblichen Manierismen sympathisch. Aber was hilft das, wenn der
durchaus mutige Vertonungsansatz abseits der Bilder derart vollständig in der Luft hängt?
Experimentell ist nicht immer gleichbedeutend mit hoher Qualität. Selten wurde das deutlicher wie
bei James Horners neuer Filmmusik zu Apocalypto. (mr)
New Line Records D000015802
60:41 Min.
Filminfo:
Regie: Mel Gibson
Darsteller: Rudy Youngblood, Dalia Hernandez
Tracklist:
- From the Forest... (1:55)
- Tapir Hunt (1:31)
- The Storyteller's Dreams (3:41)
- Holcane Attack (9:28)
- Captives (3:06)
- Entering the City with a Future Foretold (6:05)
- Sacrificial Procession (3:40)
- Words Through the Sky - The Eclipse (5:11)
- The Games and Escape (5:15)
- An Elusive Quarry (2:15)
- Frog Darts (2:45)
- No Longer the Hunted (5:50)
- Civilisations Brought by Sea (2:20)
- To the Forest... (7:31)