The Missing ist die dritte Musik von James Horner aus dem Jahr 2003, die in Deutschland veröffentlicht
wurde. Die mittlerweile siebte Zusammenarbeit zwischen dem Komponisten und Regisseur Ron Howard entstand
für den in 1885 in Mexiko angesiedelten Spätwestern. Darin geht es um eine Farmerin (Cate Blanchett), deren Tochter
von einer Bande entführt wird. Ihr Vater (Tommy Lee Jones), den sie zwanzig 20 Jahre nicht gesehen hat und mit dem sie im Streit liegt,
hilft ihr bei dem verzweifelten Kampf gegen die Banditen.
Natürlich erlaubt das Filmsujet eine epischere und eingängigere Sinfonik als es vor kurzem noch das traurige Drama
The House of Sand and Fog tat. Doch im Grunde ist The Missing
kompositorisch kein großer Fortschritt. In punkto Harmonien, Rhythmik und Orchestrierung bedient Horner
nämlich allein seine hinlänglich bekannten und zum Teil mittlerweile recht abgedroschenen wirkenden Manierismen.
Hier gibt es kaum ein Thema, ein Motiv oder eine originelle Instrumentierung, die sich als neuartig oder zumindest
überzeugend bezeichnen ließe. Im wesentlichen ist The Missing eine Mischung aus drei Musiken:
In der üppigen von satten Streicherflächen geprägten Melodik erinnert sie an
Legenden der Leidenschaft (1994), in der Rhythmik mit dem prominenten Einsatz von Pan- und Shakuhachi-Flöte
lässt Windtalkers (2002) grüßen und die ethnischen Vokalisen beschwören
The Four Feathers (2002) herauf. Dazu gibt es zahlreiche Verweise auf andere gute Bekannte.
So bewegt sich zum Beispiel das ansonsten durchaus ansprechende Hauptthema in seinen Harmonien merklich auf den Spuren von Braveheart
(1995).
Wenn The Missing eine eigenständige Note hat, dann durch seine zu Klangflächen und Kollagen tendierenden
Passagen. Hier nimmt sich Horner in der sinfonischen Gestaltung im Vergleich zu den genannten Arbeiten zugunsten
einem atmosphärischen Vertonungskonzept etwas zurück. Dies trägt vor allem den im Film vorhandenen
Mystery-Elementen Rechnung. So geben indianische Gesänge und geräuschartige Effekte der Musik einen
mysteriös-exotischen Anstrich. Recht ordentlich - wenn auch kaum neuartig - sind die perkussiven Anteile gearbeitet.
Horner setzt hier geschickt die verschiedenen ethnischen Rhythmusinstrumente ein. Gerade im letzten Drittel der CD
gelingen ihm in Stücken wie "Breakout and Rescue" oder "An Insurmountable Hurdle" einige packende Momente.
Doch über lange 78 Minuten fehlt es dann schon an Abwechslung, um wirklich rundum überzeugen zu können.
Ob man als Hörer an The Missing Gefallen findet, hängt deshalb vor allem davon ab, wie sehr man
dazu bereit ist, das erneute musikalische Déjà-Vu-Erlebnis hinzunehmen. Die vielen positiven Besprechungen der CD
- vor allem im englischsprachigen Raum - zeugen von einer durchaus vorhandenen Popularität der Musik. Das
sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass James Horner letztlich kaum mehr als ein erneutes Routineprodukt geschaffen
hat. Dabei kann man zwar von keinem völligen Reinfall sprechen - in Teilen präsentiert sich die CD sogar
recht unterhaltsam - das erhoffte kreative Comeback ist trotzdem wieder einmal ausgeblieben. (mr)