Es ist ein weiter Weg, den Howard Shore hinter sich gebracht hat. Seit über drei Jahren hat der Komponist
nun schon mehr oder minder kontinuierlich am Mammutprojekt
Herr der Ringe gearbeitet,
die Kinoversionen wie die Langfassungen vertont und für den
ersten Teil
sogar den begehrten Oscar gewonnen. Ebenso beeindruckt, wie schnell und selbstverständlich die Komposition
Eingang in das Standardrepertoire von Filmmusikkonzerten gefunden hat. Keine Frage, Howard Shores
Beitrag zur Trilogie genießt Ausnahmestatus. Dementsprechend groß waren die Erwartungen für den Abschluss
Die Rückkehr des Königs, dem vorerst letzten Ausflug nach Mittelerde. (eine Verfilmung der Vorgeschichte
Der Hobbit dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein).
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Elijah Wood als Frodo |
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Das Warten hat sich gelohnt. Die dritte Filmmusik erweist sich zwar als konsequente Fortführung der bestehenden
Partituren, aber beileibe keine blasse Kopie. Shore führt die leitmotivische Konzeption
der ersten beiden Teile weiter und erweitert sie. Prominent sind zwei neue Themen, ein kraftvoll-heroisches
für das Menschenvolk von Gondor (das bereits in einer Osgoliath-Szene der Langfassung von
The Two Towers
eingesetzt wurde und hier zum ersten Mal in "Minas Tirith" zu hören ist) und eine folkloristisch angehauchte Melodie für die grauen Anfurten,
Basis des von Annie Lennox gesungenen Schlussliedes "Into the West".
Versierter als in The Two Towers sind die Variationen des bekannten Themenmaterials, dem Shore reizvolle
Schattierungen und Nuancen abgewinnt. Als besonders überzeugend erweist sích der Umgang mit den Hobbit-Themen rund um Frodo
und Sam. Aber auch das Rohan-Thema, das in Two Towers mehrfach allein in einfacher Gestalt melancholisch auf der
Hardanger-Fiedel erklang, wird dieses Mal deutlich raffinierter verarbeitet.
In "The Ride of the Rohirrim" erklingt es nun in Form einer heroischen Fanfare als Symbol für das wiedererstarkte Reitervolk um König Théoden.
Überraschend sind auch die vielen (zumindest auf CD neuen) kleinen Motive und Nebenthemen, derer sich Shore bedient, die sich aber wohl erst
nach genauem Studium des Filmes werden zuordnen lassen können. Seltsam erscheint allerdings das Fehlen eines der
drei Motive für die Kreatur Gollum, die eigentlich eine große Rolle für das Finale einnimmt, aber zumindest
auf der CD keine musikalische Entsprechung findet. Woran das liegt, bleibt unklar. Offenbar wurden
nach Fertigstellung des Albums noch erhebliche Teile der Musik eigespielt. Ob hier schlichtweg wichtige
Stücke fehlen, muss das Betrachten des Filmes zeigen.
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Auf den Feldern von Pelennor |
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Integraler Bestandteil der Komposition sind erneut Choräle und Vokalisen, die weniger
häufig, dafür aber umso effektvoller eingesetzt werden. Bombastisch kommt "The End of all Things" daher,
die Untermalung der Entscheidung am Schicksalsberg, die im kraftvollen Einsatz des Frauenchors Erinnerungen
an die "Neodämmerung" in
Matrix Revolutions (2003) weckt. Weitere Vokalanteile
haben der bereits in
Die zwei Türme zu hören gewesene Ben del Maestro und
die Opernsängerin Renée Fleming. Ebenfalls neu sind kurze Einlagen von Billy Boyd (Pippin) und Viggo Mortensen (Aragorn), die stimmungsvoll
an das bislang etwas vernachlässigte Liedgut in Tolkiens Roman erinnern. Zwar handelt es sich bei beiden um keine professionell
ausgebildeten Sänger, aber das ist für diese Art von Gesang kaum von Nöten und fällt deshalb auch
nicht unangenehm auf.
Als herber Kontrast erweist sich "Shelob's Lair", ein Stück, das in seinen Dissonanzen viele Hörer anfänglich
irritieren mag. aber mit mehrmaligem Hören als eines der komplexesten Stücke der CD beeindruckt.
Die mehrstimmigen, schrill aufspielenden Streicher werden in ihren hohen Tonlagen Shore-Anhänger an dessen
experimentelle Tage (z.B. bei The Cell oder in der Zusammenarbeit mit dem
Regisseur David Cronenberg (Crash,Die Fliege) erinnern.
Packend wird die finale Schlacht auf den Feldern von Pelennor musikalisch umgesetzt. Auch hier erklingt schicksalsträchtig
der Chor, bis eine nobel-heroische Bläserfanfare die Auflösung bringt und vom Sieg kündet.
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Gollum fehlt musikalisch |
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Doch der Eindruck dieser Actionstücke soll nicht täuschen. Insgesamt überrascht
Die Rückkehr des Königs
als sehr lyrische und gefühlvolle und keineswegs übermäßig düstere Komposition. Gerade das Ende ist - ebenso wie die Vorlage - nicht ausgelassen
fröhlich oder heroisch gestaltet, sondern ein wehmütiger und in aller Freude auch melancholischer Blick auf
die Ereignisse. Denn mit dem dunklen Herrscher Sauron verschwindet nicht nur alles Böse, sondern auch das Gute aus der Welt. Die
Elben (und mit ihnen Frodo, Bilbo und Gandalf) verlassen Mittelerde in Richtung der grauen Anfurten. Damit
endet in der Tolkienschen Geschichtsschreibung das (von ihm so genannte) "dritte Zeitalter" und mit diesem auch
die Erzählung von Film und Buch. In den letzten drei Stücken findet Shore hierfür besonders reizvolle pastorale Klangbilder.
Die zentralen Themen der Hobbits und das oben erwähnte Thema für die grauen Anfurten erklingen.
Der Flötist Sir James Galway glänzt dazu als Solist.
Der von Annie Lennox gesungene Titel "Into the West" beschließt Film wie CD und passt sich gut in Shores Arbeit
ein, nicht zuletzt natürlich auch, weil das Thema als Bestandteil der Partitur an dieser Stelle nicht mehr neu ist
und ein kurzer sinfonischer Epilog die enge Bindung zu dieser herstellt.
Mit Der Rückkehr des Königs ist Howard Shore ein würdiger Abschluss der Trilogie gelungen, der besonders
in der motivischen Feinarbeit gegenüber The Two Towers noch ein gutes Stückchen zulegt. Sein
Themenkosmos ist nicht nur vielfältig verzweigt, sondern auch konsequent und überzeugend durchgeführt.
In einem bislang schwachen Filmmusikjahr liegt Howard Shore damit an der einsamen Spitze.
Und vielleicht hören wir ihn ja auch wieder, wenn sich Peter Jackson tatsächlich nach seinem nächsten Grossprojekt
King Kong (das ebenfalls von Shore vertont wird) an die Vorgeschichte Der Hobbit wagt. (mr)