Mit seinen Filmmusiken begeistert John Williams nun schon seit drei
Jahrzehnten ein weltweites Publikum. Deshalb erscheint es zunächst erstaunlich, daß
seinen Konzertwerken vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, Diskussionen
über sie meist ausbleiben. Dies mag vor allem daran liegen, daß die Kinosinfonik
des Altmeisters fast immer von einprägsamen, ohrwurmverdächtigen Melodien
durchzogen ist - zuletzt das traumhaft schöne Liebesthema aus dem
Angriff
der Klonkrieger (2002) oder der mysteriöse Tanz aus
Harry Potter (2001).
Die Kompositionen für den Konzertsaal zeigen Williams dagegen von einer sehr
introvertierten Seite. Sie sind oft ganz zugeschnitten auf das Spiel des jeweiligen
Solisten. In
Treesong (2001) war es der Geigenvirtuose Gil Shaham.
In der vorliegenden Aufnahme
Yo-Yo Ma plays the Music of John Williams
steht der Starcellist Ma im Mittelpunkt der expressiven Orchesterwerke.
Das die CD eröffnende "Concerto for Cello and Orchestra" schrieb Williams in den
Jahren 1993 und 1994 extra für Yo-Yo Ma. Während der erste von vier Sätzen immer
wieder an filmmusikalisches von Williams erinnert (vornehmlich A.I. (2001)
und Sieben Jahre in Tibet (1997) klingen an), stehen die anderen drei Sätze
weit abseits der Kinosinfonik. Anklänge an diese sind höchstens noch als fernes Echo
zu vernehmen. Das Orchester tritt zurück und räumt den Spiel Yo-Yo Mas viel Raum
ein. Die Vielseitigkeit und die Kontraste des Werkes sind gewollt, um den Fähigkeiten
des Cellisten große Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Insgesamt ist die filigrane
Komposition keinesfalls leichte Kost und offenbart erst mit wiederholtem Hören ihre
Reize.
Weniger spröde und sogar ausgesprochen klangschön präsentiert sich die "Elegie für Cello
und Orchester", die auf einem Nebenthema aus der Filmmusik zu Sieben Jahre in Tibet
basiert. Mehr als nur eine nette Ergänzung zu der tollen Vertonung der Filmbiographie
von Jean-Jacques Annaud.
Die "Drei Stücke für Cello" zeigen Williams wieder von einer völlig anderen Seite und bringen ihn ein
wenig in die Nähe des Konzepts der Silk Road Journeys, mit denen Ma kürzlich verschiedene
musikalische Kulturkreise im Crossover verband. Doch Williams taucht hier nicht
in die Welt der Seidenstraße, sondern in die afrikanischen Wurzeln der amerikanischen
Musikgeschichte ein. Das Cello imitiert Rhythmus und Ausdruck der afrikanischen Folklore
und typischer Instrumente wie Gitarre oder Banjo.
Dem letzten der präsentierten Orchesterstücke, Heartwood, liegt ein Bildband
über Eichen zugrunde. Inspiriert von der Erhabenheit der Bäume entwarf Williams
Skizzen für Cello und Orchester. Die verhaltende, sehr ruhige Komposition hat Tradition.
Offenbar besitzt der Altmeister eine große Affinität zu Bäumen, die hier nach dem Treesong
ein weiteres Mal zu Ausdruck kommt.
Alle hier erstmals präsentierten Kompositionen sind feine Schaustücke für das virtuose
Spiel Yo-Yo Mas, dazu aber auch für sich eigenständige Werke. Unmittelbar ins Ohr gehen
tun sie allerdings nicht. Und es bedarf schon einer gewissen "Einhörarbeit", um sich mit
ihnen anzufreunden. Doch die Mühe lohnt sich.
Die CD von Sony Classical präsentiert sich in tadelloser Klangqualität. Das Spiel Yo-Yo Mas
ist über jeden Zweifel erhaben und das Booklet mit ausführlichen Kommentaren von Williams
höchstpersönlich rundet den überzeugenden Gesamteindruck ab. (mr)