Danny Elfman gehört zu den wenigen jungen Komponisten, die es im heutigen US-Filmgeschäft geschafft haben,
sich eine eigene Handschrift zu bewahren. Während viele seiner Kollegen wie Christopher Young oder
James Newton Howard immer wieder mal mit der Dominanz der sogenannten Temp-Tracks (den beim Dreh verwendeten
Musikstücken) zu kämpfen haben, schreibt der im Selbststudium gereifte Komponist faszinierend eigenständige und
charismatische Partituren, die ihre durchaus vorhandenen Vorbilder meist nur am Rande erkennen lassen. Wie kaum
ein Zweiter dieser Tage gelingt ihm die Fusion synthetischer Klangstrukturen mit dem Spiel des Sinfonieorchesters.
Mit den Blockbuster-Vertonungen zu
Sleepy Hollow,
Planet of the Apes,
Spider-Man,
Men in Black und
Hulk
konnte er einen eigenen Standard setzen, den mittlerweile wiederum andere kopieren.
Bei diesen groß angelegten Musiken könnte man leicht vergessen, dass
es auch eine leise, intime Seite von Danny Elfman gibt, die in der Vergangenheit zum Beispiel in den klangschönen
Arbeiten zu Edward mit den Scherenhänden, Sommersby und Good Will Hunting zur Geltung kam.
Doch in den letzten Jahren hatte das Mainstream-Kino und damit auch das Actionscoring für Elfman Vorrang.
Nun kommt mit der Oscar- und Golden Globe-nominierten Musik zu Tim Burtons Big Fish wieder eine ruhige
Komposition auf den Hörer zu. Elfman hat zum überbordend-fabulierenden Familiendrama allerdings keine wirklich
ungewöhnliche Partitur geschrieben. Für den psychologischen Thriller A Simple Plan schuf er nämlich bereits 1999 eine
ganz ähnlich konzeptionierte - allerdings (im Gegensatz zu Big Fish) von klanglichen Verfremdungseffekten
und Dissonanzen durchdrungene - Musik. Beiden Filmen gemeinsam ist die ländliche Umgebung, in der ihre
Handlung spielt. Entsprechend sind sie in
folkloristisches Kolorit eingefärbt und stellen die handelnden Menschen in ihren Mittelpunkt. Deshalb
bleibt als Konsequenz das musikalische Ensemble über weite Strecken klein. Doch wo Sam Raimis A Simple Plan
in verschneiten Winterlandschaften die (durch Geldgier verursachten) menschlichen Abgründe ausleuchtet,
kommt Big Fish als lebensbejahendes, optimistisches und lichtdurchflutetes Märchen daher.
Deshalb handelt es sich um eine warmherzig-lyrische, mitunter intim-melancholische Komposition mit
fiedelgeprägter Americana und dezenten Countryelementen. Auch ein gewisser "Tim Burton-Touch" in Form
Edward mit den Scherenhänden nahestehender Chorstücke darf natürlich nicht fehlen.
Der lyrische Streicherwohlklang mit Begleitung von Klavier und Holzbläsern erinnert zudem stark an die Arbeiten
Rachel Portmans wie Gottes Werk & Teufels Beitrag oder Chocolat.
Doch Elfman benutzt eine abwechslungsreichere Orchestrierung und präsentiert
darüber hinaus den überzeugenderen Variationssatz. Er arbeitet mit drei zentralen Themen, die - wie so oft bei ihm in den letzten Jahren - ihren Charme erst
mit mehrmaligem Hören voll entfalten. Neben den folkigen Hauptthema stechen besonders die von lyrischem
Streicherwohlklang geprägte Melodie für Sandra und das mysteriöse Thema für die Hexe Jenny hervor.
Weitere kleine Nebenthemen und -motive sorgen für zusätzliche Abwechslung. Die gekonnten Variationen
und die feine Orchestrierung machen dabei viel vom Reiz der Musik aus.
Der knapp vierzigminütige Score-Anteil wird ergänzt von einer Auswahl an Songs, hauptsächlich
(aber nicht ausschließlich) Oldies. Besonderes Highlight ist hier "Man of the Hour" von Pearl Jam.
Als Höralbum dürfte Big Fish eine der schönsten Elfman-CDs der letzten Jahre sein. Alles in
allem handelt es sich um eine rundum gelungene Musik und ein echtes Highlight des Jahres 2003. (mr)